Page 582 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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570                       Wilhelm Wirth.

      wendig.  Denn für die bisher besprochenen Methoden war der Um-
      fang nur deshalb ohne weiteres durch eine ziemhch bestinunte Zahl
      der inhaltlichen Haupteinheiten vergleichbar ausgedrückt, weil nach
      dem sonstigen Wesen der Methode und nach den Voraussetzungen
     für die Wiedergabe oder Beurtheilung eines einzelnen Haupttheiles,
     jederzeit ein bestimmter mittlerer, und zwar maximaler Klarheitsgrad
     für die entscheidenden Einheiten selbstverständlich war.
         Dass  eine solche Unabhängigkeit von der Zahl und dem Klar-
     heitsgrade der Einzelelemente ohne gleichzeitige Verwerthung weniger
     geläufiger Zusammenfassungen überhaupt nur in indirecten Yergleichs-
     methoden bestehen kann, dürfte nun in den bisherigen Ausführungen
     hinreichend nachgewiesen sein.  Nur wird hierzu nach den speciellen
     Ausführungen des vorigen   Capitels gleichzeitig zu der simul-
     tanen und      kurzdauernden Darbietung         des   gesammten
     Wahrnehmungscomplexes zurück            zu kehren     sein,  deren
     unmittelbare Vergleichbarkeit mit  einem  entsprechenden Complexe
      die simultane Bewusstheit der einzelnen Elemente  eines Complexes
     beweisen und damit einen Rückschluss auf den simultanen Bewusst-
      seinsumfang gestatten soll. Bei dem Vergleich der Gesammtvorstellung,
      die durch das Anhören einer Tactreihe entstanden war, waren ja vor
      allem deshalb wieder bloß  einige wenige, dafür aber  relativ  klare
     Haupteinheiten die entscheidenden Elemente, weil das hier verwendete
      Vergleichsobject nur  in der nachträglichen Festhaltung von Wahr-
      nehmungselementen allmählich aufgebaut wurde,   deren Auffassung
      im Verhältniss zur Ausdehnung der Eeihe immer weiter in der Zeit
      zurück lag und daher nicht nur immer unklarer, sondern vor allem
      auch immer unsicherer wurde.     Käme bei der Vergleichsmethode
      nur das Dasein gleichzeitiger Vorstellungselemente überhaupt in Be-
      tracht, gleichgültig ob der Beobachter diese Vorstellungen  sich nur
      ausdenkt oder mit größerer oder geringerer Sicherheit als thatsächliche
      Vergangenheit betrachtet, dann käme es ja, wie gesagt, auch für die
      Verwerthung selbständiger unklarer Elemente auf die Entstehungs-
      weise des Simultanbestandes gar nicht weiter an.  Zu einem solchen
      Augenblicksbestande aus Erinnerungen, Vermuthungen und Phanta-
      sieen könnte aber natürlich ein entsprechendes Vergleichsobject nur
      dadurch hergestellt werden,  dass man weiß, was  in dem Complex
      enthalten war.  Dies erforderte aber eben bereits  eine  vollständige
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