Page 583 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfauges und seiner Messung.
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      Analyse des durch  die Methode  erst festzustellenden Bewusstseins-

      umfanges selbst, so weit man in diesem Falle die Gestaltung dieses
      Umfanges den rein subjectiven psychischen Bedingungen überlassen
      hatte.  Ohne zeitlich unmittelbare Abhängigkeit der ver-
      glichenen Gesammterlebnisse vom Experiment ließe sich
      also wiederum nicht mehr feststellen, als auch ohne ex-
      perimentelle Darbietung eines Vergleichsobjectes durch
      unmittelbare Wiedergabe möglich wäre, wie         es denn in der
      That bei dem Umfang der sicher vergleichbaren Gesammtvorstellungen
      aus Tactreihen im    vorigen Capitel zugestanden werden  musste.
      Die  Vergleichsmethode  ermöglicht  also  eine  selbständige Berück-
      sichtigung auch der unklaren Einzelelemente in dem Gesammtumfang
      nur unter der gleichzeitigen Voraussetzung, dass dasVergleichs-
      object  selbst,  so wie   es  in dem Momente      zur Geltung
      kommt, in möglichst weitem Umfange in seinen klaren wie
      in seinen unklaren Theilen hinsichtlich der einzelnen In-
      tensitäten und Qualitäten dem experimentell dargebotenen
      simultanen B,eizcomplexe entspricht, und nicht etwa ander-
      weitigen modificirenden Einflüssen durch die Zeit ausgesetzt ist. Denn
      nur in diesem Falle kann natürlich der Bewusstseinsumfang durch
      den Thatbestand der Reize wirklich in möglichst großer Ausdehnung
      vertreten werden, so weit dieser eben als simultanes Vergleichsobject
      dienen kann.
         Außerdem kann aber bei einer allmählich entstandenen Gesammt-
      vorstellung aus einer in der Zeit ablaufenden Reihe der für ilu*e Ver-
      werthung als Umfangsbestimmung unbedingt nothwendige Beweis ihrer
      Gleichzeitigkeit als eines Ganzen auf Grund der Möglichkeit jenes Ver-
     gleichsurtheiles nur dann geführt werden, wenn in der That gar keine
     qualitative Charakterisirung und Individualisirung der einzelnen Ele-
     mente, abgesehen von der selbst vom Ganzen abhängigen Betonung,
      stattgefunden  hat.  Sonst wüi-de ja wirklich das Gedächtniss diese
      qualitativen Charakterisirungen  wie bei Dui'chnahme einer Melodie
      nach einander ablaufen und discursiv vergleichen lassen können,
     ohne   dass  eine  simultane  Gesammtvorstellung  nothwendig  wäre.
     Andererseits darf auch die Untergliederung keine andere sein, als die
     auch  ganz  unwillkürlich  eingeführte gleichmäßige   Eintheilung,
     wenn eine thatsächlich simultane Gesammtvorstellung von ungefähi-
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