Page 578 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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566 Wilhelm Wirth.
genommenen Einzelinhalten, die auch ohne Vergleichung für sich
allein in der Betrachtung klar isolirbar sind, könnte man ihn bei
complicirteren Verhältnissen, wie sie gerade bei der Zeitvorstellung
gegeben sind, ähnlich in Zweifel ziehen, wie etwa bei der Frage nach
der Bewusstheit abstracter Merkmale und Vorstellungsbeziehungen,
die zwar nicht isolirt vorstellbar, aber doch zur selbständigen Be-
gründung von Vergleichsurtheilen befähigt sind. Man würde also
damit den Vergleich als allgemeines phänomenologisches Princip ver-
werfen und das Bewusstsein der Aehnlichkeit, Verschiedenheit u. s. w.
als inhaltlich völlig abtrennbare Wirkung der successiven
oder simultanen Betrachtung der vergHchenen Vorstellungsobjecte be-
trachten. Damit wäre es verträgHch, dass dasjenige »Moment« oder
»Fundament«, worin die verglichenen Vorstellungen übereinstimmen
oder differiren, keineswegs nothwendig zu dem Ganzen des Bewusst-
seins als integrirender Bestandtheil hinzugehören bezw. vielleicht auch
nicht einmal hinzugehört haben muss, in welchem das durch sie be-
gründete Vergleichsurtheil vorkomme. Würden in dieser Weise auch
unbewusste Erregungen unmittelbar, d. h. eben ohne ein im Bewusstsein
gegebenes Correlat ein ihrem thatsächlichen Verhältniss entsprechendes
bewusstes Vergleichsurtheil mit sich führen können, dann wäre na-
türlich auch eine Bestimmung des Bewusstseinsumfanges nach der hier
vertretenen Methode unmöglich. Die Beantwortung der Frage, ob
das Moment der bewussten Uebereinstimmung oder Verschiedenheit
wirklich selbst ein Bewusstseinsinhalt sei oder nicht, muss natürlich zu
einer Analyse des Aehnlichkeitsbewusstseins u. s. w. im Ganzen zurück-
gehen und hierbei wird man nicht bestreiten können, dass uns das
entscheidende Element oder Merkmal der Vergleichsvorstellungen ganz
in der nämlichen Weise »gegeben« erscheint, wie alle Bewusstseins-
inhalte für uns im Erleben unmittelbar gegenwärtig sind. Das Er-
gebniss des Vergleichens besteht jederzeit sogar in einem Emporsteigen
jenes Momentes zu höherer Klarheit. Alles Bewusstsein der Aehn-
lichkeit, Verschiedenheit u. s. w. ist also nur das Bewusstsein solcher
relativ beachteter Momente in besonderen Verbindungen und mit
größerer oder geringerer Differenzirung gegenüber der Umgebung,
bezw. bei abstracten Momenten gegenüber den übrigen Merkmalen,
und enthält z. B. das Bewusstsein der Identität und der Gleichheit
jederzeit eine Continuität, das Verschiedenheitsbewusstsein eine eigen-