Page 665 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Zur Theorie des Bewusstseinsumfanges und seiner Messung. 653
einem folgenHenmacht sich nun vor allem die Zwischenzeit zwischen
beiden Expositionen, je nach der inneren Einstellung des Beobachters,
in ganz verschiedener Weise geltend. Wenn man jemanden von
Anfang an immer wieder darauf aufmerksam macht, dass er gar
nichts darüber anzugeben braucht, was für Figui-en er gesehen hat,
wenn er nur ein entsprechendes Vergleichsurtheil abgeben kann,
so ist der Beobachter trotzdem zunächst ganz unwillkürHch immer
darauf bedacht, in seinem Berichte möglichst viel über die einzelnen
Figuren von beiden Complexen angeben zu können. Damit ist natür-
lich eine principiell andere Betrachtungsweise während und
kurz nach der Exposition nahe gelegt, als wenn er die Ex-
positionen so frisch, wie sie ihm erscheinen, zum Vergleiche ausnützt,
ohne beim Versuche selbst sich auf das Merkenwollen zu verlegen.
Thut er das letztere, so wird er sogleich durch die erste Exposition
hinreichend beschäftigt. Er will sie sich unwillkürHch bereits repro-
ductiv zurechtlegen, wie dies vor allem Finzi im ganzen Verlaufe
während längerer Zeit (a. a. 0.) systematischer untersucht hat, und
wird in dieser Thätigkeit bereits von der folgenden Exposition über-
rascht, der er dann nicht mit voller Concentration gegenübertritt. Bei
dieser Einstellung wünscht dann der Beobachter auch eine relativ lange
Zwischenzeit von ca. 1^2 bis 2 See; dafür bezieht sich aber auch
sein Vergleichsurtheil viel zu ausschließhch auf dasjenige, was er sich
nach der ersten Exposition bis zur Wiedergabe vor Augen halten
konnte, also auf den sog. Umfang der »maximalen« Klarheit bei ein-
maliger Exposition (vgl. Gap. 2). Allerdings kann er dann auch sein
Urtheil hinterdrein bis ins Einzelne mit den concreten Figuren be-
legen, da die Figuren der zweiten Exposition ohnehin »ungestörter«
im Gedächtniss bleiben. Man sieht geradezu oft ganz deutMch, wie
das Vergleichsurtheil selbst erst auf diese Erinnerung an den ganzen
Thatbestand basirt ist. Ist jedoch der Beobachter einmal him*eichend
auf die Vergleichung eingeübt, so dass er das erste Object nicht
mehr sich merken, sondern dasselbe nur mögUchst unmittelbar an
das zweite heranbringen will, dann werden entsprechend kürzere
Zwischenzeiten bevorzugt. Man strebt dann beide Objecte möglichst in
einem Maximum der Aufmerksamkeitsspannung zusammen zu erhalten;
allerdings ist die angenehmste Zeit doch nicht so kurz, wie sie bei
der beliebig langen Betrachtung des ürcomplexes passend erschien,