Page 155 - Was will Gott_Neat
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spürt man gut, was wir für Christen im Papsttum ge-
            wesen sind; es waren nur solche, die aus Zwang und
            Angst vor menschlichen Geboten hingegangen sind,
            die ohne Lust und Liebe Christi Gebote nie angesehen
            haben. Wir aber zwingen niemanden, auch nicht, um
            jemandem zu Dienst zu sein oder ihm einen Gefallen
            zu tun. Es soll dir vielmehr Anreiz sein und dich selbst
            dazu zwingen, weil er es möchte und es ihm gefällt. Von
            Menschen soll man sich weder zum Glauben noch zu
            irgendeinem guten Werk nötigen lassen. Wir tun nicht
            mehr, als nur zu sagen und zu ermahnen, was du tun
            sollst – nicht um unsertwillen – sondern um deinet-
            willen. Er lockt und reizt dich; willst du es verachten,
            so beantworte er es selbst. Das soll nun das Erste sein,
            besonders für die Kalten und Nachlässigen, dass sie das
            bedenken und wach werden. Denn das ist sicher, was
            ich selbst erfahren habe und was jeder bei sich finden
            wird: Wenn man sich dem entzieht, dass man von Tag
            zu Tag roher und kälter wird und es am Ende ganz in
            den Wind schlägt; man muss sich mit Herz und Ge-
            wissen fragen, ob man gern mit Gott recht stehen will.
            Je mehr das nun geschieht, umso mehr wird das Herz
            erwärmt und entzündet, sodass es nicht kalt wird.
                Sagst du aber: Wie denn, wenn ich fühle, dass ich
            es nicht wert bin? Antwort: Das ist meine Anfechtung,
            besonders in dem alten Leben, wo man keine Meinung
            dazu hatte oder meinte: 0h weh, du bist nicht würdig.
            Wenn Natur und Vernunft anfangen zu rechnen nach
            unserer Würdigkeit gegenüber dem großen, teuren Gut,
            da findet es sich wie eine finstere Laterne im Gegensatz
            zum Licht der Sonne oder wie Mist im Gegensatz zu
            Edelsteinen, und weil der Mensch so etwas sieht, will er
            nicht hin, bis er geschickt wird, so lange, bis eine Woche
            um die andere, ja ein halbes Jahr um das andere vergan-


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