Page 156 - Was will Gott_Neat
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gen ist. Aber wenn du darauf warten willst, wie fromm
und rein du sein wirst, wirst du niemals dazu kommen.
So soll man hier die Leute unterscheiden. Den Frechen
und Wilden soll man sagen, dass sie wegbleiben sollen,
denn sie wurden nicht geschickt, um Vergebung der
Sünden zu erlangen, weil sie nicht begehren, fromm zu
sein. Die anderen aber, sofern sie nicht solche rohen und
losen Menschen sind und gerne fromm wären, sollen
sich nicht davon trennen, auch wenn sie sonst schwach
und gebrechlich sind. Wenn eine Sünde nicht bewiesen
ist, sodass man jemanden aus der Gemeinde stößt und
zum Unchristen erklärt, soll man das Sakrament nicht
verwehren, damit man nicht das Leben stiehlt. Denn
es wird niemand so weit bringen, dass er nicht allerlei
Leiden im Fleisch und im Blut behält.
Darum sollen solche Leute lernen, dass es die
höchste Kunst ist, zu wissen, dass unser Sakrament
nicht auf unserer Würdigkeit besteht. Denn wir lassen
uns nicht taufen als diejenigen, die würdig und heilig
sind, kommen auch nicht zur Beichte als diejenigen,
die rein und ohne Sünde sind, sondern im Gegenteil,
als arme, elende Menschen, und eben weil wir unwürdig
sind; es sei denn, man wäre einer, der keine Gnade und
Absolution begehrt noch meint, sich bessern zu müs-
sen. Wer aber gern Gnade und Trost haben möchte,
der soll sich selbst antreiben und sich von niemandem
davon abschrecken lassen und sagen: Ich würde wohl
gern würdig sein, aber ich komme nicht wegen meiner
Würdigkeit, sondern wegen deines Wortes, mit dem
du es demjenigen befohlen hast, der gerne dein Jünger
wäre. Es ist aber schwer, denn das liegt uns immer im
Wege und behindert uns, dass wir mehr auf uns selbst
als auf Christi Wort und Mund sehen. Denn die Natur
möchte gerne so handeln, dass sie auf sich selbst bauen
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