Page 83 - Was will Gott_Neat
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und mit ihren schweren Werken, die sich ausgedacht
haben, rühmen können! Diese aber haben sie fahren
lassen, gerade als seien sie viel zu gering oder schon
längst getan. Ich denke, man hätte hier alle Hände voll
zu tun, um sie zu halten: Sanftmut, Geduld, Liebe den
Feinden gegenüber, Keuschheit, Wohltätigkeit usw.
und was damit einhergeht. Aber solche Werke gelten in
den Augen der Welt nichts, denn sie sind nicht außer-
gewöhnlich und auffällig, auch nicht mit besonderen
Zeiten, einem besonderen Ort, einer besondere Weise
der Ausführung verknüpft, sondern es sind alltägliche
Verhaltensweisen. Deshalb haben sie kein Ansehen.
Die anderen aber sperren Augen und Ohren auf und
tragen selbst mit großem Prunk, hohen Kosten und
großen Gebäuden dazu bei und schmücken sie, alles
glänzt und leuchtet; man räuchert, singt und musiziert,
zündet Kerzen und Lichter an, sodass man außer die-
sem allem nichts anderes mehr hören und sehen kann.
Man nennt es ein christliches Werk, das niemand genug
loben kann, wenn ein Priester im goldenen Kleid da-
steht oder ein Laie den ganzen Tag in der Kirche auf
den Knien liegt, aber wenn ein armes Mädchen ein klei-
nes Kind pflegt und treu ihre Aufgabe erfüllt, zählt es
nicht. Wie sollten auch Mönche und Nonnen in ihren
Klöstern finden?
Siehe aber, ist es nicht eine verfluchte Vermessen-
heit der verzweifelten Heiligen, wenn sie vorgeben, in
einem höheren Stand zu leben und ein besseres Leben
zu führen, als es die Zehn Gebote lehren? Und sie be-
haupten, es gäbe einen Unterschied zwischen dem Le-
ben der Allgemeinheit und des einfachen Mannes und
dem der Heiligen und Vollkommenen? Und sie sehen
nicht, diese elenden, blinden Leute, dass kein Mensch
es so weit bringen kann, auch nur eines der Zehn Ge-
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