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DAS NEUNTE UND ZEHNTE GEBOT
           Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus
           Du sollst nicht begehren seines Weibes, Knecht, Magd,
           Vieh oder was sein ist

           Diese zwei Gebote sind besonders den Juden gegeben,
           obwohl sie uns auch teilweise betreffen. Denn sie han-
           deln nicht von Unkeuschheit oder Diebstahl, das ist
           oben ausreichend verboten worden. Die Juden mein-
           ten, sie hätten alle Gebote gehalten, wenn sie äußer-
           lich die Werke getan oder anderes unterlassen hätten.
           Darum hat Gott diese zwei Gebote hinzugefügt, dass
           man es auch für Sünde und für verboten hält, Frau oder
           Besitz des Nächsten zu begehren und irgendwie danach
           zu trachten. Besonders  deshalb,  weil unter  jüdischer
           Herrschaft Knechte und Mägde nicht frei waren und
           keinen Lohn erhielten – heute ist das anders – sondern
           mit Haut und Haaren Eigentum des jeweiligen Herrn
           waren, genau so wie das Vieh und anderer Besitz, und
           jeder die Macht hatte, sich durch einen Scheidebrief
           öffentlich von seiner Frau zu trennen und eine andere
           heiraten konnte. So hatten sie untereinander eine Riva-
           lität; wenn jemand gerne die Frau eines anderen gehabt
           hätte, dann musste er sehen, dass er Gründe fand, um
           seine eigene Frau verlassen zu können und die andere
           Frau dem anderen zu entfremden und sie mit allerlei
           schönen Worten für sich zu gewinnen. Das war bei ih-
           nen keine Sünde und Schande genauso wenig wie jetzt
           bei den Dienstboten, wenn ein Hausherr seinen Knecht
           oder seine Magd entlässt oder einer ihm seine Dienst-
           boten abwirbt.
               Darum haben sie nun, sage ich, diese Gebote so
           gedeutet, wie es ja auch richtig ist, dass niemand dar-



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