Page 77 - Was will Gott_Neat
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schmückt man am meisten.“ Gesicht, Augen, Nase und
Mund verdeckt niemand, denn sie haben es nicht nötig,
weil sie die ehrbarsten Teile des Körpers sind; aber die
gebrechlichsten, für die wir uns schämen, verdeckt man
fleißig; da müssen die Hände, die Augen und der gan-
ze Leib noch dazu helfen, sie zu bedecken und zu ver-
hüllen. Wir sollen alle zusammen das, was an unserm
Nächsten fehlerhaft und unvollkommen ist, verhüllen,
und so weit wir es können, versuchen seine Ehre und
sein Ansehen aufrecht zu halten. Und wir sollen allem
entgegentreten, was seinem Ruf zum Schaden gereicht.
Und dies ist eine besonders gute und edle Tugend, wer
alles, was er über den Nächsten Schlechtes reden hört
(wenn es nicht allgemein bekannt ist), zu seinem Bes-
ten auslegt und deutet und ihm zugutehält gegenüber
jenen giftigen Mäulern, die so sehr darauf bedacht sind,
den Nächsten zu tadeln und ihm alles zum Schlechten
auszulegen und zu verdrehen, sobald sie an ihm etwas
finden und entdecken können. Das geschieht jetzt sehr
häufig im Blick auf das liebe Gotteswort und seine Pre-
diger. Darum ist in diesem Gebot auch über die Maßen
viel enthalten, was wir Gutes tun sollen, woran Gott
sein größtes Wohlgefallen hat und was reichlichen Se-
gen und Gutes mit sich bringt. Möchten die falschen
Heiligen und die blinde Welt das nur erkennen! Denn
es gibt weder am noch im Menschen nichts, was mehr
Gutes schaffen und gleichzeitig mehr Schaden anrich-
ten kann als die Zunge, sowohl in geistlichen als auch
in weltlichen Dingen, obwohl sie doch das kleinste und
schwächste Glied ist.
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