Page 72 - Was will Gott_Neat
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sie, aber es ist nicht deine Aufgabe, darüber zu richten.
           Sehen und hören kann ich wohl, dass mein Nächster
           sündigt, aber anderen von diesem Fehlverhalten zu er-
           zählen ist mir nicht befohlen. Wenn ich das nun mache,
           darüber richte und urteile, so begehe ich in eine Sünde,
           die größer ist als jene. Weißt du aber etwas, so verhalte
           dich still, verschließe deine Ohren und begrabe es bis zu
           dem Zeitpunkt, an dem dir befohlen wird, als Richter
           von Amts wegen diese Sache zu bestrafen.
               Eine Nachrede begehen diejenigen, die es nicht
           beim Wissen belassen, sondern ständig davon reden,
           sich beim Gericht einmischen und wenn sie ein Stück
           von einem andern wissen, es in alle Welt tragen, es hin
           und her wälzen, bis es den anderen verdrießt, genauso
           wie die Säue, die sich im Kot wälzen und mit dem Rüs-
           sel darin wühlen. Das ist nichts anders als Gott in sein
           Gericht und sein Amt fallen, urteilen und strafen mit
           dem schärfsten Urteil. Denn kein Richter kann höher
           strafen oder mehr daraus machen, als zu sagen: Das ist
           ein Dieb, Mörder, Verräter usw. Darum, wer sich unter-
           steht so etwas vom Nächsten zu sagen, greift ebenso
           weit wie der Kaiser und alle Obrigkeit, denn auch wenn
           du das Schwert nicht führst, so benutzt du doch dei-
           ne giftige Zunge zur Schande und zum Schaden deines
           Nächsten.
               Darum will Gott verhindern, dass man über einen
           anderen Böses redet, auch wenn er schuldig ist und es
           weiß; noch viel weniger jedoch, wenn er nichts Ge-
           naues weiß und irgendetwas vom Hörensagen kennt.
           Fragst du nun: Soll ich es denn nicht sagen, wenn es die
           Wahrheit ist? Antwort: Warum bringst du es nicht vor
           ein ordentliches Gericht? Ja, ich kann es nicht öffent-
           lich bezeugen, vielleicht fährt man mir übers Maul und
           weist mich ab. Ei Lieber, riechst du den Braten? Traust


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