Page 70 - Was will Gott_Neat
P. 70
meister, Fürsten oder andere Obrigkeiten sitzen, gibt
es Fehler; es geht nach dem normalen Lauf der Welt,
dass man niemand gern beleidigen will, man heuchelt
etwas vor, redet nach dem Munde und so wird ein ar-
mer Mann mit seinen Angelegenheiten unterdrückt,
wird unrecht haben und muss Strafe leiden. Und es
ist eine allgemeine Plage in der Welt, dass im Gericht
selten fromme und gute Leute sitzen. Denn es gehört
vor allen Dingen ein frommer Mann zum Richteramt;
nicht allein ein frommer, sondern auch ein weiser, ge-
scheiter, ja auch ein kühner und mutiger Mann. Ebenso
muss auch ein Zeuge mutig und fromm sein. Denn wer
alle Sachen gerecht richten und mit dem Urteil durch-
setzen soll, wird oftmals gute Freunde, Verwandte,
Nachbarn, Reiche und Mächtige erzürnen, die ihm viel
nützen oder schaden können; darum muss er wie blind
sein, Augen und Ohren verschließen, auf Freundschaft
weder sehen noch hören, sondern danach urteilen, was
ihm vorgelegt wird.
Darauf ist nun dieses Gebot ausgerichtet, dass je-
der seinem Nächsten zu seinem Recht helfe und es
nicht behindern soll, sondern Recht fordern und darü-
ber urteilen soll, wo Gott ihn hinstellt, sei es als Richter
oder als Zeuge. Besonders ist hiermit unseren Herren
Juristen das Ziel gesetzt, dass sie darauf achten, gerecht
und aufrichtig mit den Sachen umzugehen. Was recht
ist, muss recht bleiben und darf weder verdreht noch et-
was verschwiegen werden unabhängig von Geld, Besitz,
Ehre und Position. Das ist ein Stück und der deutlichste
Sinn dieses Gebots für alles, was vor Gericht geschieht.
Es greift aber noch viel weiter, wenn man es für das
geistliche Gericht oder die Regierung anwendet. Da
passiert es oft, dass jemand gegen seinen Nächsten et-
was Falsches aussagt. Denn die frommen Prediger und
70