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5.4.2 Lernen vom Kind aus – selbstbestimmtes Lernen im Freispiel
                     (oder die kreative Zeit des Kindes)

                „Wenn ihr Kind aus dem Kindergarten kommt und erzählt, heute haben wir nur gespielt, dann hat es
                                              wahrscheinlich sehr viel gelernt“
                                            Zoltan Kodaly, ungarischer Komponist

            Wie der Name schon sagt, ist das Freispiel „frei“ von Vor-gaben. Das Kind entscheidet, womit, mit wem, wo
            und wie lange es spielen möchte. Ein wichtiger Prozess für das Kind, da es sich selbst zu organisieren lernt!
            Niemand sagt ihm, wann es was zu tun hat.

            Es kann essen und trinken, wenn es Hunger und Durst hat, Bilderbücher anschauen, werken, kneten wenn es
            Lust dazu hat oder, spielen wo und wie lang es möchte. Es kann sich nach seinen Bedürfnissen orientieren.
            Deshalb nennen wir das Freispiel auch gern „die kreative Zeit des Kindes“.  Im Freispiel entwickelt es seine
            soziale,  emotionale und  lernmethodische  Kompetenz. Wir stehen  dem  Kind zur Seite,  wenn  es Zuspruch
            braucht, wenn es mit Konflikten nicht zurechtkommt, geben jede Art von Hilfe und Unterstützung. Wir spornen
            es an und bestätigen es in seinem Lernen.
            Gerade die jüngeren Kinder brauchen in der Eingewöhnungszeit noch viel Halt und Orientierungshilfen von
            uns Erwachsenen. Maria Montessori beschreibt dies folgendermaßen: „Das Kind freilassen – ohne es allein
            zu lassen“

            Neben dem freien Spiel haben die Kinder gruppenübergreifend   die Möglichkeit an einem Angebot, z.B. einem
            kreativen Angebot, einem Experiment, Kochen oder Backen, Turnen, … teilzunehmen. Im Morgenkreis der
            Stammgruppen werden solche Angebote vorgestellt und die Kinder können sich freiwillig dafür oder dagegen
            entscheiden.

            Es ist auch die Zeit, um Gespräche zu führen, etwas von sich zu erzählen, oder dem anderen zuzuhören, zu
            kuscheln oder einfach zuzuschauen; ja sogar sich auch einmal zu langweilen. Es bedeutet im Wortsinn „eine
            lange Weile zu haben“ - was dem Kind unter Umständen wirklich guttut. Es kann eine Auszeit sein, für Körper,
            Geist und Seele, eine Zeit zum „Auftanken“, daraus entstehen oft die besten Ideen...

            Die  Erwartungen  unserer  Schul-  und  Arbeitswelt  und  die  Schnelllebigkeit  unserer  Gesellschaft  insgesamt
            erfordern  von  Kindern  vielfältige  Kompetenzen  wie  Verantwortungsbereitschaft,  ein  hohes  Maß  an
            Selbstständigkeit,  Offenheit,  Teamgeist  und  Flexibilität.  Diese  Anforderungen  können  Kinder  im  täglichen
            Miteinander des Freispiels lernen und einüben. Um selbstbestimmt im Freispiel zu lernen, stellen wir den
            Kindern ein motivierendes Raum- und Materialangebot und einen ausreichenden Zeitraum zur Verfügung.

            Kinder  machen  so  Erfahrungen,  die  sie  in  ihrer  Persönlichkeitsentwicklung  unterstützen  und  entwickeln
            Ausdauer, Konzentration und Freude an der Auseinandersetzung mit Neuem.

            Das pädagogische Personal versteht sich im Freispiel als Bildungs- und Entwicklungsbegleiter. Parallel zur
            systematischen  Beobachtung  der  Lernprozesse  und  der  Spiel-  und  Entwicklungsbedürfnisse  steht  das
            pädagogische Personal den Kindern als Ansprechpartner und Impulsgeber zur Verfügung. Die partizipativen
            Möglichkeiten der Kinder stehen im Vordergrund.

            Wir achten stets darauf, dass das Kind außer der Teilnahme an der Projektarbeit (demokratisch abgestimmt
            und verbindlich für alle) und an den gebuchten Nachmittagsgruppen zu keinen Aktivitäten gezwungen wird,
            die  es  nicht  ausführen  möchte.  Wenn  die  Eltern  einmal  kein  selbstgemachtes  Produkt  von  Ihrem  Kind
            bekommen, sollten Sie nicht enttäuscht sein. Ihr Kind hatte an diesem Tag andere Bedürfnisse und Interessen.

            Ein weiteres Beispiel ist der Mutter- und Vatertag (und auch Weihnachten), insbesondere im Kindergarten. Wir
            lassen unsere Kinder selber entscheiden, ob und was sie ihren Eltern schenken möchten. Wir führen dazu
            Gespräche  mit  den  Kindern,  bieten  Materialien  und  Ideen  an  und  unterstützen  gegebenenfalls  bei  der
            Umsetzung. So entstehen individuelle, sehr persönliche Geschenke. Denn: Schenken will gelernt sein und soll
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