Page 1006 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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konnten beide den gleichen Gehorsam finden und bei verschiedenem
                Benehmen die gleichen Erfolge erzielen. Wer sie aber nachahmen will,
                kann sich leicht verächtlich oder verhaßt machen, wie ich oben an Scipio

                und Hannibal zeigte; nur durch hervorragende Tapferkeit kann man
                diesen Übeln entgehen.
                     Es bleibt uns noch zu untersuchen, welches Verfahren löblicher ist.
                Ich halte das für sehr ungewiß, da die Schriftsteller beide Arten loben.
                Allerdings stellen sich die, welche die Lebensregeln der Fürsten
                aufstellen, mehr auf seiten des Valerius als des Manlius, und der bereits
                erwähnte Xenophon stimmt in vielen Zügen von der Milde des Kyros

                fast mit dem überein, was Livius von Valerius sagt. Denn als Valerius als
                Konsul den Samnitern gegenüberstand und der Tag der Schlacht
                herankam, sprach er zu seinen Soldaten mit der gleichen Milde wie

                sonst, und Livius sagt nach dieser Rede folgendes: Non alius militi
                familiarior dux fuit, inter infimos militum omnia haud
                gravate munia obeundo. In ludo praeterea militari, cum
                velocitatis viriumque inter se aequales certamina ineunt,
                comiter facilis vincere ac vinci, vultu eodem; nee quemquam
                aspernari parem, qui se offerret; factis benignus pro re;
                dictis, haud minus libertatis alienae quam suae dignitatis
                memor; et quo nihil popularius est, quibus artibus petierat
                magistratus, iisdem gerebat. VII, 33. Vor der Schlacht am Berg
                Gaurus (343 v. Chr.) (Kein Feldherr war mit den Soldaten vertraulicher;
                wie die niedrigsten Soldaten nahm er alle Dienste willig auf sich. Auch

                zu den Lagerspielen, wo die Gleichstarken im Laufen und Ringen
                Wettkämpfe veranstalteten, war er stets freundlich bereit, gewann oder
                unterlag mit gleicher Miene und verschmähte keinen, der sich ihm zum
                Wettkampf anbot. Er belohnte jede Tat. Im Reden vergaß er nie, was er
                der Freiheit andrer und der eignen Würde schuldig war, und was ihn am
                beliebtesten machte: er versah sein Amt in derselben Weise, wie er sich
                darum beworben hatte.) Auch von Manlius spricht Livius ehrenvoll. Er

                zeigt, wie die Strenge, die er durch die Hinrichtung seines Sohnes
                bewies, das Heer so gehorsam machte, daß dadurch der Sieg der Römer
                über die Latiner herbeigeführt wurde. In der Schlacht am Vesuv (340 v.
                Chr.). Vgl. Livius VIII, 7 ff. Ja, ergeht in seinem Lobe so weit, daß er
                nach der Beschreibung der Schlacht, der Gefahren, die das römische
                Volk dabei lief, und der Schwierigkeiten des Sieges damit schließt: nur

                die Tapferkeit des Manlius habe den Römern diesen Sieg verschafft. Bei
                der Vergleichung der beiderseitigen Streitkräfte versichert er, der Teil
                habe gesiegt, der den Manlius zum Anführer gehabt hätte.








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