Page 1010 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Vierundzwanzigstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Die Verlängerung des Oberbefehls brachte Rom in Knechtschaft.
Wenn man den Verlauf der römischen Geschichte aufmerksam verfolgt,
findet man, daß zwei Dinge am Untergang der Republik Schuld waren:
die Streitigkeiten, die aus dem Ackergesetz entsprangen, und die
Verlängerung des Oberbefehls. Hätte man dies von Anfang an richtig
erkannt und geeignete Mittel dagegen ergriffen, so hätte die Freiheit
länger bestanden und es wäre in Rom wohl auch ruhiger zugegangen.
Wenn auch die Verlängerung des Oberbefehls keine Unruhen in Rom
hervorrief, so zeigte das Ergebnis doch, wie schädlich dem Staate das
Ansehen war, das einzelne Bürger durch diese Maßregel gewannen.
Wären alle Bürger, deren Amtsdauer verlängert wurde, so weise und
tugendhaft gewesen wie L. Quinctius Cincinnatus, so wäre dieser
Mißbrauch nicht eingerissen. Die Tugend dieses Mannes bietet ein
denkwürdiges Beispiel. Als zwischen Volk und Senat ein Vergleich
zustandegekommen war und das Volk den Tribunen ihr Amt auf ein Jahr
verlängert hatte, weil es hoffte, sie würden den Ehrgeiz des Adels im
Zaum halten, wollte der Senat aus Eifersucht auf das Volk und um nicht
hinter ihm zurückzustehen, dem L. Quinctius sein Konsulat gleichfalls
verlängern. S. Livius III, 21 (460 v. Chr.)
Er aber verwarf diesen Beschluß durchaus und sagte, man müsse
schlechte Beispiele ausrotten, nicht aber durch ein noch schlechteres zu
vermehren suchen. Er verlangte also, daß neue Konsuln gewählt würden.
Wären alle römischen Bürger so uneigennützig und weise gewesen, so
hätte sich die Gewohnheit, die Amtsdauer zu verlängern, nicht
einschleichen können, und man wäre von da nicht zur Verlängerung des
Oberbefehls übergegangen, die mit der Zeit den Untergang der Republik
herbeiführte. Der erste, dessen Oberbefehl verlängert wurde, war
Publilius Philo. Als er Paläopolis belagerte und sein Konsulat zu Ende
ging, glaubte der Senat, daß er den Sieg in Händen habe, und ließ ihn
nicht ablösen, sondern ernannte ihn zum Prokonsul, dem ersten seines
Zeichens. Livius VIII, 26 (327 v. Chr.)
Obwohl der Senat dies nur zum allgemeinen Besten tat, brachte es
Rom mit der Zeit um seine Freiheit. Denn je weiter die Römer ihre
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