Page 1013 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Armut zu Fuß diente. Ebd. 29, 26. Man sieht hieraus, welche Ehre man
                in Rom der Armut erwies, und daß vier Morgen Acker zum Unterhalt
                eines so tapferen und tüchtigen Mannes wie Cincinnatus genügten! Diese

                Armut herrschte noch zur Zeit des Marcus Regulus. Denn als er mit dem
                Heere in Afrika stand, 255 v. Chr. Vgl. Livius XVIII. bat er den Senat
                um Erlaubnis zur Heimkehr, um sein Landgut zu bestellen, das ihm von
                seinen Arbeitern verdorben worden war.
                     Hier zeigen sich zwei sehr merkwürdige Dinge. Erstens die Armut
                und die Zufriedenheit dabei, und wie sich die Bürger mit der Ehre
                begnügten und den Gewinn ganz dem Staat überließen. Denn hätte

                Regulus daran gedacht, sich im Kriege zu bereichern, so hätte ihn die
                Vernachlässigung seines Landgutes wenig gekümmert. Das zweite ist die
                Seelengröße dieser Bürger; denn an der Spitze der Heere dünkten sie
                sich über jeden Fürsten erhaben, sie achteten keinen König, keine
                Republik, ließen sich durch nichts einschüchtern noch erschrecken, und
                hernach kehrten sie ins Privatleben zurück, wurden sparsam und

                bescheiden, verwalteten ihr kleines Vermögen, waren gehorsam gegen
                die Obrigkeit und ehrerbietig gegen ihre Vorgesetzten. Fast unbegreiflich
                erscheint es, wie eines Menschen Seele solchen Wechsel ertragen konnte.
                     Diese Armut währte bis zur Zeit des Aemilius Paullus, Vgl. Cicero,
                De officiis, II, 22. die sozusagen die letzte glückliche Zeit der Republik
                war, wo ein Bürger, der Rom durch seine Triumphe bereicherte, selbst
                arm blieb. Ja, so hoch schätzte man damals noch die Armut, daß Paullus,

                als er Auszeichnungen für Kriegsverdienste verteilte, seinem
                Schwiegersohn eine silberne Schale gab, das erste Silber in seinem
                Hause. Vieles könnte ich zum Beweis dafür anführen, wieviel bessere
                Früchte Armut als Reichtum trägt und wie die Armut die Städte, Länder
                und Religionen zu Ehren gebracht, aber Reichtum sie zugrunde gerichtet
                hat. Doch darüber haben sich schon viele andre ausgelassen. Vermutlich

                Plutarch, »Aristides und Cato«, IV, vielleicht auch Valerius Maximus, IV,
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