Page 1016 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Siebenundzwanzigstes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                 Wie man in einer Stadt die Eintracht wiederherstellen soll, und daß
                   die Ansicht falsch ist, um sich im Besitz einer Stadt zu behaupten,
                                     müsse man sie in Uneinigkeit halten.


                Aus dem Beispiel der römischen Konsuln, die die Ardeaten miteinander
                aussöhnten, ersieht man, wie man die Eintracht einer Stadt
                wiederherstellen muß. Da kann nichts andres helfen, als die Häupter des

                Aufruhrs hinzurichten. Es gibt überhaupt nur drei Mittel: sie zu töten,
                wie es die Römer taten, sie aus der Stadt zu entfernen, oder sie Frieden
                schließen zu lassen, mit der Bedingung, sich nicht weiter zu beleidigen.
                Von diesen drei Mitteln ist das letzte das schädlichste, unsicherste und
                nutzloseste. Denn wo bereits viel Blut geflossen oder andre

                Gewalttätigkeiten begangen sind, kann ein erzwungener Friede
                unmöglich von Dauer sein, wenn die Parteien sich täglich wieder zu
                Gesicht bekommen. Schwerlich werden sie sich gegenseitiger
                Beleidigungen enthalten, da im täglichen Umgang neue Streitigkeiten
                entstehen können. Pistoja liefert das beste Beispiel dafür.
                     Diese Stadt war vor fünfzehn Jahren, wie noch jetzt, in die Parteien
                der Panciatichi und Cancellieri gespalten, S. Lebenslauf, 1501 und 1502.

                nur daß sie damals noch die Waffen in der Hand hatte und sie jetzt
                niedergelegt hat. Nach vielem Gezänk kam es zu Blutvergießen, zur
                Zerstörung der Häuser, zu Plünderungen und zu aller Art
                Feindseligkeiten. Die Florentiner, die den Streit beizulegen hatten,
                wandten immer das dritte Mittel an, und immer entstanden daraus noch
                größere Unruhen und noch ärgere Auftritte, bis sie es endlich satt hatten

                und zu dem zweiten Mittel griffen, die Häupter der Parteien zu
                entfernen. Sie warfen einige ins Gefängnis und verbannten andre nach
                verschiedenen Orten, so daß der geschlossene Vergleich Bestand haben
                konnte und noch heute besteht. Noch sicherer aber wäre zweifellos das
                erste Mittel gewesen.
                     Da jedoch in solchen Maßregeln etwas Großes und Gewaltiges liegt,
                so rafft sich eine schwache Republik nicht dazu auf, ja sie ist so weit

                davon entfernt, daß sie sich mit genauer Not zum zweiten Mittel
                entschließt. Solche Fehler begehen, wie ich zu Anfang sagte, die Fürsten





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