Page 1009 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Dreiundzwanzigstes Kapitel



                                                  Inhaltsverzeichnis






                               Weshalb Camillus aus Rom vertrieben wurde.


                Wir haben oben behauptet, daß der, welcher wie Valerius handelt, dem
                Vaterlande und sich selbst schadet, der aber, der wie Manlius verfährt,
                aber dem Vaterlande nützt, doch bisweilen sich selbst schadet. Das zeigt
                sich deutlich an Camillus, der in seiner Handlungsweise mehr dem

                Manlius als dem Valerius glich. Livius sagt daher von ihm: Eius
                virtutem milites oderant et mirabantur. Livius V, 26. (Die
                Soldaten haßten und bewunderten seine Tüchtigkeit.) Bewundert wurde
                er wegen seines Eifers, seiner Klugheit, seines hohen Sinns und seiner
                guten Anordnungen bei der Heerführung wie bei allem, was er tat.
                Gehaßt wurde er, weil er strenger im Strafen als freigebig im Belohnen

                war. Livius gibt folgende besondere Ursachen dieses Hasses an. Erstens
                führte er den Erlös aus dem Verkauf der Güter von Veji dem Staatsschatz
                zu, statt ihn mit der Beute zu verteilen. Zweitens ließ er seinen
                Triumphwagen von vier Schimmeln ziehen, um sich, wie man sagte, aus
                Hochmut dem Sonnengott gleichzustellen. Drittens gelobte er dem
                Apollo den Zehnten von der Beute von Veji; man hätte ihn also zur
                Erfüllung des Gelübdes den Soldaten, die ihn schon im Besitz hatten,

                wieder abnehmen müssen. Hieraus läßt sich gut und leicht erkennen, was
                einen Fürsten beim Volke verhaßt macht: das ist vor allem die
                Entziehung eines Vorteils. Dies ist aber sehr wichtig, wenn man jemand
                einen Vorteil entzieht, so vergißt er das nie und erinnert sich beim
                geringsten Bedürfnis daran. Da aber die Bedürfnisse jeden Tag
                wiederkommen, erinnert er sich täglich daran. An zweiter Stelle kommt

                ein hochmütiges oder aufgeblasenes Wesen, das Verhaßteste, was es für
                ein Volk, besonders für ein freies Volk geben kann. Auch wenn ihm
                dieser Hochmut und Prunk keinen Schaden tut, so haßt es doch den, der
                ihn zeigt. Hiervor aber muß sich ein Fürst hüten wie vor einer Klippe,
                denn sich unnützerweise Haß aufladen, ist ganz leichtfertig und unklug.














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