Page 107 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Weib nachahmenBekannlich wurden bei den Alten im Drama auch die
Frauenrollen von Männern gespielt., sie, die ja Männer sind, sei es ein
junges oder ein älteres Weib, mag dasselbe den Ehmann beschimpfen
oder mit den Göttern hadern und übermüthig sich geberden, weil es sich
für glücklich hält, oder mag es in Unglück und Leiden und Thränen
befangen sein; ein krankes aber, oder ein liebendes, oder ein in den
Wehen liegendes Weib doch wohl noch weniger. – Ja, durchaus wohl,
sagte er. – Und auch Sklaven oder Sklavinnen nicht, welche vollführen,
was Sache von Sklaven ist. – Nein, auch dieß nicht. – Und ja auch nicht
schlechte Männer, wie es scheint, welche feig sind und das Gegentheil
von jenem vollführen, was wir eben sagten, indem sie auf einander
schmähen und spotten und, betrunken oder nüchtern, schimpfliche Reden
führen, oder auch Anderes von all dem thun, was die Derartigen in
Worten und in Thaten gegen sich selbst und gegen die Uebrigen
verbrechen; aber auch nicht mit Wahnsinnigen, glaube ich, sich in
Worten oder Thaten ähnlich zu machen sollen sie sich gewöhnen; denn
kennen wohl muß man allerdings die wahnsinnigen und die schlechten
Männer und Weiber, aber thun oder nachahmen darf man Nichts von
Solchen. – Sehr wahr, sagte er – Was weiter? sprach ich, sollen sie
Erzschmiede oder irgend andere Werkmeister, oder Solche, welche auf
Kriegsschiffen rudern oder den Ruderern Befehle geben, oder irgend
etwas Anderes dorthin Gehöriges nachahmen? – Und wie sollten sie
dieß, sagte er, da ihnen ja auch nicht einmal erlaubt sein wird, auf irgend
Etwas hievon ihre Aufmerksamkeit zu richten? – Was weiter? Werden
sie etwa wiehernde Pferde und brüllende Stiere und rauschende Flüsse
und das tobende Meer und Donnerschläge und all Derartiges
nachahmen? – Aber es ist ihnen ja untersagt, sprach er, sei es zu rasen
oder sei es Rasenden sich ähnlich zu machen. – Wenn also, sagte ich, ich
recht verstehe, was du sagst, so gibt es irgend eine Art des
Sprachausdruckes und der Kundgebung, in welcher der wirklich Gute
und Treffliche Etwas kundgeben würde, wann er Etwas aussprechen soll,
und hinwiederum eine andere, der ersten ungleiche Art, an welche sich
wohl immer derjenige halten und in ihr Etwas kundgeben würde,
welcher eine dem ersteren entgegengesetzte Begabung und Erziehung
hat. – Welche sind denn diese zwei Arten? sagte er. – Einerseits, sprach
ich, wird, wie mir scheint, der ordentliche Mann, wenn er in seiner
Kundgebung auf eine Rede oder eine That eines guten Mannes
gekommen ist, dieß berichten wollen, wie wenn er selbst jener wäre, und
sich einer derartigen Nachahmung nicht schämen, zumeist ja, wenn er
den Guten nachahmt, insoferne derselbe sicher und verständig handelt
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