Page 110 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Krieger zu bilden, als Gesetze aufstellten. – Ja wohl, gar sehr würden wir
                es so machen, sagte er, woferne es bei uns stünde. – Jetzt demnach, mein
                Freund, sprach ich, kommt es darauf hinaus, daß wir, was innerhalb der

                musischen Bildung die mündlichen Ansprüche und die Fabeln betrifft,
                nun völlig zu Ende gekommen sind; wir haben nemlich hiemit
                angegeben, sowohl was ausgesprochen werden solle, als auch wie. – Ja,
                auch mir selbst scheint es so, sagte er. –
                     10. Nicht wahr also, sprach ich, hiernach ist noch übrig, was die Art
                und Weise des Gesanges und der Lieder betrifft? – Ja, klärlich. – Würde
                also nicht wohl bereits ein Jeder es selbst finden, was wir betreffs der

                nothwendigen Beschaffenheit derselben sagen müssen, woferne wir nur
                im Einklang mit dem früher Gesagten bleiben wollen? – Und Glaukon
                lachte hiezu und sagte: Bei mir demnach, o Sokrates, kömmt es darauf
                hinaus, daß ich bei diesem »Jeder« nicht mitgerechnet bin; nicht
                genügend ja kann ich wenigstens im gegenwärtigen Augenblicke schon
                schließen, welche Beschaffenheit wir von jenem angeben sollen; nur

                vermuthen jedoch kann ich es. – Jedenfalls denn nun, sagte ich, kannst
                du doch wohl folgendes genügend angeben, daß das Lied aus drei
                Dingen besteht, nemlich aus den Worten und aus der Tonweise und aus
                dem Rhythmus. – Ja, sagte er; dieß wenigstens kann ich angeben. –
                Nicht wahr also, was an ihm die Worte sind, so unterscheidet es sich
                hierin doch wohl in Nichts von dem nicht gesungenen Worte bezüglich
                der Nothwendigkeit, in eben jenen Geprägen und in der gleichen Weise

                ausgedrückt zu werden, welche wir so eben im Vorigen angaben? – Dieß
                ist wahr, sagte er. – Und nun muß aber ja die Tonweise und der
                Rhythmus den Worten folgen. – Wie sollte es auch nicht so sein? – Aber
                von Thränen und Wehklagen haben wir wenigstens schon gesagt Oben,
                Cap. 2., daß wir sie bei den mündlichen Aussprüchen nicht bedürfen. –
                Allerdings bedürfen wir sie nicht. – Welche TonweisenWas die Theorie

                der Musik bei den Alten betrifft, auf welche hier Bezug genommen ist,
                so verweise ich wohl am besten auf Fortlage’s Artikel
                    Rhythmica
                in Pauly’s Real-Encyclopädie der class. Alterth.-Wissensch. (Bd. IV. S.
                590 ff.), insoferne unmöglich hier bloß gelegentlich dieser ganze
                schwierige und verwickelte Gegenstand erörtert werden kann. Nur so
                viel möge bezüglich der hier erwähnten Tonweisen für ein populäreres
                Verständniß hiemit angeführt werden, daß die antike Musik ursprünglich
                aus der viersaitigen Lyra (dem Tetrachorde) sich entwickelte, wobei die
                Intervallen der vier Saiten aus drei ganzen und einem halben Tone

                bestanden, daß dann durch Vereinigung zweier Tetrachorde das für alle





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