Page 109 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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weiter? wird die Art des Anderen nicht das Entgegengesetzte hievon
bedürfen, nemlich sämmtliche Tonweisen und sämmtliche Rhythmen,
woferne auch sie ihrerseits in der ihr eigenthümlichen Weise ausgedrückt
werden soll, weil sie ja alle möglichen Gestaltungen von Veränderungen
in sich enthält? – Ja, gewiß verhält sich’s so. – Werden also wohl
sämmtliche Dichter und Erzähler entweder auf das eine dieser beiden
Gepräge des Sprachausdrucks verfallen, oder auf das andere derselben,
oder auf ein aus beiden gemischtes? – Ja, nothwendig, sagte er. – Was
also werden wir thun? sprach ich; werden wir in unseren Staat alle diese
zulassen, oder nur Eines von den ungemischten oder das gemischte? –
Wenn meine Ansicht, sagte er, durchdringt, so werden wir jenes
ungemischte Gepräge zulassen, welches eine Nachahmung des
Tüchtigen ist. – Nun aber, o Adeimantos, ist ja auch schon das gemischte
ein gar vergnügliches, bei weitem aber das vergnüglichste ist für Kinder
und deren Aufseher das Entgegengesetzte von jenem, welches du meinst,
und eben auch für den großen Haufen. – Ja wohl, das vergnüglichste. –
Aber vielleicht ja, erwiederte ich, möchtest du sagen, daß dieses für
unseren Staat nicht passe, weil es bei uns keinen zweifachen oder
mehrfachen Mann gibt, sondern Jeder nur Eines vollführt. – Ja,
allerdings paßt es darum nicht. – Nicht wahr also, darum werden wir ja
allein in dem derartigen Staate den Lederarbeiter eben nur als
Lederarbeiter und nicht zugleich als Steuermann neben seinem
Ledergeschäfte treffen, und den Landbebauer nur als Landbebauer und
nicht zugleich als Richter neben seinem Landbaue, und den Krieger nur
als Krieger und nicht als Gelderwerber neben seiner Kriegskunst, und so
auch alle Uebrigen? – Ja, in Wahrheit, sagte er. – Einen Mann demnach,
welcher in Folge seiner Weisheit die Fähigkeit hat, ein Mannigfaltiger zu
werden und alle Dinge nachzuahmen, würden wir, wie es scheint, wenn
er zu uns in den Staat käme und sich selbst und seine Dichterwerke
hören lassen wollte, wohl wie einen Gottgeweihten und Staunenswerten
und Vergnügungsreichen verehren, aber ihm doch wohl sagen, daß es bei
uns in unserem Staate keine derartigen Männer gibt und auch nicht
erlaubt ist, daß Solche sich einfinden, und wir würden ihn daher
fortschicken in einen anderen Staat, nachdem wir Salben über sein Haupt
geträufelt und es mit Wolle bekränzt, wir selbst unter uns hingegen
würden von dem herberen und weniger vergnügungsreichen Dichter und
Fabel-Erzähler Gebrauch machen um des Nutzens willen, von jenem
nemlich, welcher uns den Sprachausdruck des Tüchtigen nachahmen und
auch den Inhalt seiner Rede in jenen Geprägen aussprechen würde,
welche wir zu Anfang schon B. II, Cap. 18 ff., als wir versuchten, die
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