Page 105 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Berichtes des Dichters selbst (du möchtest aber diese wohl zumeist in
                den DithyrambenDie Dithyramben gehören bekanntlich zur lyrischen
                Poesie; jene Art derselben, welche hier Plato hauptsächlich im Auge hat,

                bewegte sich in enthusiastischen Erzählungen aus jenem Umkreise der
                theogonischen und Heroen-Sage, welcher an den Dionysos-Mythus sich
                anschloß, und zwar waren besonders erschütternde und ergreifende
                Wirkungen der Gottheit oder Leiden der Helden der eigentliche
                Gegenstand. Uebrigens entstand gerade aus drastischen Aufführungen
                von Dithyramben, nicht aber aus Darstellungen homerisch-epischer
                Gesänge, bei den Griechen die Tragödie. finden), wieder eine andere

                aber vermittelst dieser beiden zugleich, nemlich sowohl in der epischen
                Poesie, als auch sonst noch vielfach anderwärts, woferne du mich recht
                verstehst. – Aber ich begreife nun ja auch, sagte er, was du damals sagen
                wolltest. – Und nun erinnere dich auch an das diesem Vorhergehende,
                daß wir sagten, es sei bereits angegeben, welche Ansprüche nothwendig
                seien, hingegen erst noch zu erwägen sei, in welcher Weise sie sein

                sollen. – Aber ich erinnere mich ja auch. – Eben dieß demnach war es,
                was ich sagte, daß wir uns darüber verständigen müssen, ob wir den
                Dichtern verstatten sollen, uns die Kundgebungen durch Nachahmung zu
                machen, oder bei Einigem wohl durch Nachahmung, bei Anderem aber
                nicht, und welcherlei dieß beides sei, oder ob sie überhaupt nicht
                nachahmen sollen. – Ich errathe, sagte er, daß du erwägen willst, ob wir
                eine Tragödie und Komödie in unseren Staat aufnehmen sollen oder

                nicht. – Vielleicht, sagte ich, sogar auch noch Mehreres, als dieß; denn
                ich weiß es jetzt noch nicht, sondern wohin uns die Begründung
                gleichsam wie ein Wind trägt, dahin müssen wir gehen. – Ja, und du hast
                Recht, sagte er. – Betrachte demnach dieß, o Adeimantos, ob uns die
                Wächter gewandte Nachahmer sein sollen oder nicht. Oder folgt auch
                dieß dem Obigen B. II, Cap. 11., daß jeder Einzelne wohl Ein Ding gut

                betreiben dürfte, viele Dinge aber nicht, sondern, wenn er dieß versuchen
                würde, er bei dem Ergreifen von Vielem wohl in Allem es verfehlen
                würde, irgend nennenswerth zu sein? – Warum auch soll es nicht so sein?
                – Nicht wahr also, auch betreffs der Nachahmung gilt die nemliche
                Begründung, daß Ein und der Nämliche nicht fähig ist, Vieles so wie
                Eines nachzuahmen? – Nein, er ist es nicht fähig. – Schwerlich also wohl
                wird Einer irgend ein der Rede werthes Ding betreiben und zugleich

                Vieles nachahmen und überhaupt ein gewandter Nachahmer sein können,
                da ja nicht einmal in zwei Gegenständen der Nachahmung, welche doch
                einander nahe verwandt zu sein scheinen, Ein und die Nemlichen
                zugleich gute Nachahmer sind, nemlich daß sie eine Komödie und eine





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