Page 108 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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und seltener und in geringerem Grade in Folge von Krankheiten oder
                Liebesneigungen oder der Trunkenheit oder irgend einer anderen
                Zufälligkeit einen Fehltritt macht; hingegen wenn er auf einen seiner

                selbst Unwürdigen gekommen ist, so wir er nicht mit Eifer sich selbst
                dem Schlechteren ähnlich machen wollen, außer nur auf ganz kurze Zeit,
                wenn jener etwas Wackeres thut, sondern er wird sich schämen, indem er
                sowohl ungeübt in der Nachahmung der Derartigen ist, als auch zugleich
                Aerger darüber empfindet, sich selbst in das Gepräge der Schlechteren
                auszuprägen und in dasselbe sich hineinzufinden, da er dieß in seinem
                Denken verachtet, außer etwa, wenn es sich um einen Scherz handelt. –

                Ja, wahrscheinlich so, sagte er. – Nicht wahr also, er wird wohl einer
                Kundgebung sich bedienen, wie wir sie kurz vorher betreffs der epischen
                Gedichte des Homeros angaben, und es wird sein Sprachausdruck wohl
                an jenem beiden Theil haben, nemlich an der Nachahmung und auch an
                der einfachen Kundgebung, aber eben nur in irgend einem kleinen Theile
                an der Nachahmung während einer ganzen langen Darlegung oder

                Kundgebung; oder sage ich hiemit Nichtiges? – Gar sehr ja, sagte er,
                eben Solches, wie das Gepräge des derartigen Redners nothwendig sein
                muß. –
                     9. Nicht wahr also andrerseits, sprach ich, wird derjenige, welcher
                nicht so ist, gerade, je verwerflicher er selbst ist, desto mehr sowohl
                Sämmtliches kundgeben wollen und Nichts seiner für unwürdig halten,
                so daß er versuchen wird, Alles mit Eifer und in Gegenwart Vieler

                nachzuahmen, als auch wird er nachahmen, was wir so eben erwähnten,
                nemlich Donnerschläge und den Lärm von Winden und Hagelwetter, von
                Wagen-Achsen und von Haspeln, von Trompeten und von Flöten und
                von Pfeifen und aller Instrumente Stimmen, und auch die Laute von
                Hunden und von Schafen und von Vögeln; und es wird demnach der
                Sprachausdruck dieses Mannes insgesammt vermittelst der Nachahmung

                in Stimmen und Gestalten sich bewegen, oder nur irgend einen kleinen
                Theil an eigentlicher Kundgebung enthalten. – Ja, nothwendig, sagte er,
                ist auch dieses. – Dieß demnach, sagte ich, sind die zwei Arten des
                Sprachausdruckes, von welchen ich sprach. – Ja, sie sind es auch, sagte
                er. – Nicht wahr also, die eine der beiden enthält nur geringe
                Veränderungen in sich, und wenn Jemand diesem seinem
                Sprachausdrucke eine passende Tonweise und Rhythmus verleiht, so

                wird er, insoferne er sich richtig ausdrückt, fast immer in der nemlichen
                Weise sprechen können und nur in Einer Tonweise (denn gering ja sind
                die Veränderungen) und ebenso auch in irgend einem hiemit verwandten
                Rhythmus? – Gar sehr allerdings, sagte er, verhält sich’s so. – Was





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