Page 114 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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anderen als Trochäus, und fügte Längen und Kürzen hinzuEs scheint
                nämlich Plato (oder vielmehr Damon) insoferne drei Grundformen der
                Metrik angenommen zu haben, als er erstens bei dem Takte des Marsch-

                Tempo’s die Gleichheit der Zeitdauer der beiden Takt-Theile in’s Auge
                faßte und zu diesem Metrum also als zeitlich gleichgeltend den Daktylus
                (– ^ ^) und den Spondeus (– –) und den Anapäst (^ ^ –) rechnete, deren
                mannigfache Kombinationen unter sich dann sämmtlich zur ersten
                metrischen Gattung gehören würden; die zweite Gattung dann wäre der
                Jambus (^ –), und die dritte der Trochäus (– ^); auch bei jeder dieser
                beiden würden mehrere Einzel-Füße vereinigt, bei allen drei Gattungen

                aber noch durch Hinzufügung einzelner langer oder kurzer Silben die
                größte metrische Mannigfaltigkeit ermöglicht.; und von all diesem
                tadelte und lobte er, glaube ich, bei einigen die Bildung des Versfußes
                nicht weniger als die Rhythmen selbst, oder auch beides zusammen; ich
                kann dieß nemlich nicht so sagen. Aber dieß, wie gesagt, möge auf den
                Damon hinausgeschoben bleiben, denn es vollständig zu gliedern

                erfordert keine kleine Begründung; oder glaubst du es zu können? – Bei
                Gott, ich gewiß nicht. – Aber Folgendes ja kannst du wohl gliedern, daß
                die Wohlanständigkeit und die Unanständigkeit dem Rhythmischen und
                dem Unrhythmischen folgt? – Warum auch nicht? – Nun aber folgen ja
                das Rhythmische und das Unrhythmische wieder dem Sprachausdrucke,
                nemlich ersteres dem Schönen und letzteres dem Entgegengesetzten,
                weil sie jenen ähnlich sind, und ebenso auch das Harmonische und das

                Unharmonische, woferne ja, wie wir so eben vorhin sagten, Rhythmus
                und Tonweise den Worten folgen, nicht aber die Worte diesen. – Nun
                aber sollen hiemit, sagte er, auch wirklich diese den Worten folgen. –
                Wie aber? sagte ich; folgt nicht die Art und Weise des Sprachausdruckes
                und das Wort selbst dem Charakter der Seele? – Wie sollte es nicht so
                sein? – Dem Sprachausdrucke aber eben folgt das Uebrige? – Ja. – Die

                Wohlredenheit also und die richtige Harmonie und die
                Wohlanständigkeit und der richtige Rhythmus folgen der Gutmütigkeit,
                nicht aber in jener Bedeutung dieses Wortes, in welcher wir es mit
                milderndem Ausdrucke statt Einfältigkeit gebrauchen, sondern in der
                Bedeutung einer Gesinnung welche in Wahrheit bezüglich des Gemüthes
                gut und richtig beschaffen ist. – Ja, völlig so, sagte er. – Müssen also
                nicht etwa in allen Dingen die jungen Leute eben nach jenen

                Eigenschaften streben, woferne sie ihre Pflicht thun sollen? – Ja, sie
                müssen darnach streben. – Voll von jenen aber ist ja doch wohl die
                Zeichnungskunst und jede derartige Werkthätigkeit, voll auch die
                Weberkunst und die Buntfärberei und die Baukunst und hinwiederum





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