Page 116 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Schöne loben und, sich daran erfreuend und in seine Seele es
aufnehmend, durch dasselbe erzogen und so selbst ein Guter und
Trefflicher werden würde, das Schimpfliche aber in richtiger Weise
tadeln und noch in seiner Jugend hassen würde, noch ehe er fähig ist,
einen Vernunftgrund zu erfassen; wenn aber dann der Vernunftgrund
kömmt, würde wohl der auf diese Weise Erzogene zumeist ihn lieben,
weil er ihn vermöge einer Aehnlichkeit erkennt. – Mir wenigstes scheint,
sagte er, um des Derartigen willen die Erziehung in der musischen
Bildung zu beruhen. – Ebenso also, sprach ich, sowie wir ja auch betreffs
des Lesens erst dann eine genügende Stufe einnehmen, wenn die
Buchstaben des Alphabetes in ihrer geringen Anzahl in Sämmtlichem,
was da vorkömmt, uns nicht entgehen, und wir sie weder im Kleinen,
noch im Großen für werthlos halten, als dürfe man sie nicht
wahrnehmen, sondern wir den Vorsatz haben, sie überall zu erkennen
und zu unterscheiden, weil wir ja nicht eher tüchtige Leser sein werden,
als wenn wir eben auf dieser Stufe stehen, – Dieß ist wahr. –, und nicht
wahr also, auch die Abbilder von Buchstaben, falls welche sich im
Wasser oder in Spiegeln zeigen sollten, werden wir nicht eher erkennen,
als wenn wir jene selbst schon erkannt haben, sondern es gehört dieß
eben zu der nemlichen Kunst und Betriebsamkeit, – Ja, völlig so. –,
werden wir also wohl, was ich eben sagen wollte, bei Gott, in der
nemlichen Weise, weder wir selbst, noch die Wärter, welche wir als die
von uns zu erziehenden bezeichnen, auch nicht eher musisch gebildet
sein, als wenn wir die Ideen der Besonnenheit und der Tapferkeit und der
Freiheit und der Großartigkeit und alles dessen, was hiemit verschwistert
ist, und hinwiederum auch ihre Gegenteile überall, wo sie vorkommen,
erkennen und als ein in jenem, wo sie sind, Befindliches herausfühlen,
sowohl sie selbst, als auch ihre Abbilder, und weder im Kleinen, noch im
Großen sie für werthlos halten, sondern glauben, es gehöre dieß eben zu
der nämlichen Kunst und Betriebsamkeit? – Ja, durchaus nothwendig ist
es so, sagte er. – Nicht wahr also, sprach ich, wenn bei einem Menschen
ein Zusammentreffen stattfindet zwischen einem schönen Charakter,
welcher in seiner Seele ist, und zwischen Dingen, welche in seiner
äußeren Form mit jenem übereinstimmen und in Einklang sind, weil sie
an dem nemlichen Gepräge Theil haben, so würde dieß wohl der
schönste Anblick für Jeden sein, der Solches schauen könnte? – Ja bei
weitem. – Und nun ist aber ja das Schönste auch das Liebenswürdigste. –
Wie sollte es anders sein? – Diejenigen Menschen demnach, welche so
sehr als möglich Derartige sind, würde wohl der musisch Gebildete
liebenHiemit schließt sich an die Erörterung der musischen Bildung
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