Page 117 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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durchaus nach platonischen Grundsätzen die Erwähnung des Eros an,
welcher ja eben nur durch dieses geistige Motiv geadelt und von der bloß
sinnlich leiblichen Liebe unterschieden werden soll; die nähere
Darlegung betreffs des platonischen Eros kennt der Leser nun schon aus
dem »Phädrus«, s. dort bes. Cap. 22–38.; wenn hingegen Jener nicht in
Einklang ist, würde er ihn wohl nicht lieben. – Allerdings, sagte er, dann
nicht, wenn Jener bezüglich seiner Seele einen Mangel enthält; wenn
hingegen bezüglich des Körpers, so würde er einen solchen wohl
ertragen, um Jenen dennoch lieben zu wollen. – Ich verstehe wohl, sagte
ich, daß du sicher Lieblingsknaben der letzteren Art hast oder einmal
gehabt hast, und ich gebe dir dann zu, was du eben sprachst; aber sage
mir Folgendes: Haben Besonnenheit und übermäßiges Vergnügen irgend
eine Gemeinschaft mit einander? – Wie sollten sie auch, sagte er, da ja
letzteres nicht weniger als die Betrübniß Besinnungslosigkeit erzeugt? –
Aber hat es mit der übrigen Vortrefflichkeit eine Gemeinschaft? – In
keiner Weise. – Wie aber? wohl mit dem Uebermuthe und der
Ziellosigkeit? – Ja, zumeist von Allem. – Kannst du aber ein größeres
und heftigeres Vergnügen nennen, als dasjenige, welches den
Liebesgenuß betrifft? – Nein, ich kann nicht, sagte er, und auch keines,
welches dem Wahnsinne mehr verwandt wäre. – Die richtige Liebe aber
enthält es ihrer Natur nach in sich, einen Ordentlichen und Schönen in
besonnener Weise und mit musischer Bildung zu lieben? – Ja wohl, gar
sehr, sagte er. – Also Nichts mit dem Wahnsinne oder der Zügellosigkeit
Verwandtes darf mit der richtigen Liebe in Verbindung gebracht werden?
– Nein, es darf nicht. – Nicht also darf mit ihr das Vergnügen in
Verbindung gebracht werden, und an demselben dürfen der Liebhaber
und der Lieblingsknabe, soferne sie in richtiger Weise lieben und geliebt
werden, keinen Theil haben? – Nein, bei Gott, o Sokrates, sagte er, nicht
darf Solches mit ihr in Verbindung gebracht werden. – Demnach wirst
du, wie es scheint, in dem von uns gegründeten Staate als gesetzliche
Bestimmung aufstellen, daß zwar ein Liebhaber Lieblingsknaben lieben
und mit ihnen beisammen sein und sie berühren dürfe, wie man einen
Sohn berührtS. m. Anm. 53 z. Phädrus., nemlich all dieß nur um des
Schönen willen, woferne er ihn hiezu überredet, daß er aber im Uebrigen
in solcher Weise mit demjenigen, um dessen Liebe er sich bemüht, einen
Umgang pflege, daß er niemals in weiterer Absicht, als in solcher, mit
ihm beisammen ist, und ihn außerdem der Tadel eines Mangels an
musischer Bildung und einer Unkenntniß des Schönen treffe. – Ja, eben
in dieser Weise, sagte er. – Hiemit also nun, sprach ich, scheint wohl
auch dir die Begründung betreffs der musischen Bildung ihr Ende
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