Page 130 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Schmerz oder eine Qual auf eine andere Meinung brachte. – Auch dieß,
sagte er, verstehe ich, und du hast Recht. – Als Bezauberte aber möchtest
ja wohl auch du, wie ich glaube, diejenigen bezeichnen, welche ihre
Meinung ändern, indem sie durch irgend ein Vergnügen eingelullt
wurden oder durch irgend eine Furcht in Angst sind. – Es scheint ja
auch, sagte er, all jenes bezaubernd zu wirken, was eine Täuschung
enthält. –
20. Demnach müssen wir, wie ich so eben sagte, suchen, welche die
besten Wächter ihrer eigenen Ansicht seien, nemlich daß sie jenes
wirklich thun müssen, was sie stets für den Staat als das Beste erachten.
Beobachten also müssen wir sie von Jugend auf, indem wir ihnen
Aufgaben vorlegen, bei welchen man das Derartige am ehesten
vergessen und darin getäuscht werden könnte; und denjenigen, welcher
eingedenk bleibt und sich nicht leicht täuschen läßt, müssen wir
auswählen, jenen hingegen, der nicht so ist, bei Seite stellen; oder wie
sonst? – Ja. – Auch Anstrengungen hinwiederum und Qualen und
Kämpfe müssen wir für sie veranstalten, in welchen wir eben Jenes
beobachten müssen. – Dieß ist richtig, sagte er. – Nicht wahr also, sprach
ich, auch von der dritten Art nun, nemlich von der Bezauberung, müssen
wir ihnen einen Wettstreit bewerkstelligen und dabei zuschauen; sowie
man die jungen Pferde zu Geräusch und Lärm hinführt und hiedurch
erkennt, ob sie furchtsam seien, ebenso müssen wir jene in der Jugend zu
irgend Gegenständen der Furcht bringen und dann hinwiederum in
Vergnügungen sie versetzen, indem wir sie in weit höherem Grade als
Gold im Feuer erproben, ob Einer als schwer zu bezaubernd und als
wohlanständiger in Allem sich zeige, ein tüchtiger Wächter seiner selbst
und der musischen Bildung, welche er gelernt hat, in schönen Formen
und in harmonischem Einklang in all diesem sich bewährend, wie er
denn auch sowohl für sich als auch für den Staat der brauchbarste wäre.
Und denjenigen, welcher immer, im Knaben-und im Jünglings-und im
Mannes-Alter erprobt wurde und ohne Makel daraus hervorging, müssen
wir als Herrscher und Wächter des Staates aufstellen und ihm bei
Lebzeiten und im Tode Ehren erweisen, indem er bezüglich des
Begräbnisses und der übrigen Zeichen des Andenkens die größte
Auszeichnung erlangt; jenen aber, welcher nicht derartig ist, müssen wir
bei Seite stellen. Solcher Art, o Glaukon, sagte ich, scheint mir die
Auswahl und die Aufstellung der Herrscher und Wächter zu sein, um sie
hiemit bloß dem allgemeinen Gepräge nach, nicht aber in aller
Genauigkeit, anzugeben, – Auch mir, sagte er, zeigt sich’s ungefähr so. –
Ist es also wohl in Wahrheit das Richtigste, diese als vollständige
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