Page 126 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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sind, sterben lassen, theils, wenn sie bezüglich der Seele schlecht begabt
und unheilbar sind, sie selbst tödten? – Als das Beste wenigstens, sagte
er, zeigt sich’s auf diese Weise sowohl für die Betheiligten selbst, als
auch für den Staat. – Die jungen Leute demnach, sprach ich, werden dir
klärlicher Weise sich wohl in Acht nehmen, daß sie nicht die Richter-
Thätigkeit bedürfen, da sie ja jener einfachen musischen Bildung sich
bedienen, von welcher wir oben Cap. 12. sagten, daß sie Besonnenheit
erzeuge. – Warum auch nicht? sagte er. – Wird also nun nicht der
musisch Gebildete, indem er nach der gleichen Spur auch die gymnische
Bildung verfolgt, ebenso, sobald er will, es auch erreichen, daß er der
Arzneikunst nicht bedarf, außer in Fällen der wirklichen
Nothwendigkeit? – So scheint es mir wenigstens. – In den
gymnastischen Uebungen selbst also und in den körperlichen
Anstrengungen wird er weit mehr im Hinblicke auf das Muthige seiner
Begabung und um dieß zu wecken sich anstrengen, als etwa im
Hinblicke auf die bloße Starke; nicht ja wird er, wie die übrigen
Kämpfer, um der bloßen Körperkraft willen die Diät und die
Anstrengungen betreiben. – Völlig richtig, sagte er. – Es werden also, o
Glaukon, sprach ich, auch diejenigen, welche die musische und die
gymnische Bildung vorschreiben, nicht aus jenem Grunde, welchen
Einige annehmen, dieß vorschreiben, nemlich damit sie durch die eine
dem Körper und durch die andere der Seele eine Pflege angedeihen
lassen? – Aber aus welchem Grunde denn sonst? sagte er. – Es kömmt
darauf hinaus, sagte ich, daß sie beides gerade in der Hauptsache um der
Seele willen vorschreiben. – Wie so? – Bemerkst du nicht, sagte ich, in
welchen Zustand gerade bezüglich der geistigen Thätigkeit diejenigen
versetzt werden, welche ihr Leben lang nur mit der Gymnastik sich
beschäftigen, die musische Bildung aber gar nicht einmal berühren? oder
auch diejenigen, welche in den entgegengesetzten Zustand versetzt
wurden? – Betreffs welchen Zustandes, sagte er, meinst du dieß? –
Betreffs der Wildheit und Härte, sagte ich, und hinwiederum betreffs der
Weichheit und Sanftheit. – Hierüber, sagte er, glaube ich, daß, wer ganz
allein untermischt die gymnische Bildung anwendet, wilder daraus
hervorgeht, als nöthig ist, und wer hinwiederum nur die musische allein,
weicher wird, als es schön ist. – Und in der That auch, sprach ich,
möchte das Wilde eben das Muthige in der Begabung zur Folge haben
und bei richtiger Bildung nichts Anderes als das Tapfere sein, hingegen
bei einer mehr als nöthigen Anspannung wohl, wie zu erwarten ist, ein
Hartes und Bedrohliches werden. – Ja, so scheint es mir, sagte er. – Was
weiter? Möchte das Sanfte nicht in der weisheitsliebenden Begabung
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