Page 131 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Wächter sowohl bezüglich der äußeren Feinde als auch bezüglich der
Freunde im Innern zu bezeichnen, damit nemlich die letzteren nicht den
Willen und die ersteren nicht die Fähigkeit haben, Böses zu verüben,
diejenigen Jünglinge hingegen, welche wir bisher jetzt Wächter nannten,
als Helfer und Beiständer für die Ansicht der Herrschenden zu
bezeichnen? – Ja, mir wenigstens, sagte er, scheint es so. –
21. Welche Möglichkeit also nun, sprach ich, möchte sich uns wohl
ergeben, daß es noch etwas Edles sei, wenn wir mit irgend einer jener
nothwendigen Lügen, von welchen wir schon sprachen Oben Cap. 3 u.
B. II Cap. 21.; die Leute belügen und hiedurch vor Allem zwar die
Herrscher selbst und, wenn dieß nicht gelingen sollte, den übrigen Staat
überreden wollen? – Welche Lüge denn? sagte er. – Keine neue,
erwiederte ich, sondern irgend eine PhönikischeOffenbar Anspielung auf
die phönikische Abkunft des Kadmos, welcher zufolge der allbekannten
Sage die Zähne des von ihm erlegten Drachen säete, worauf dann
bewaffnete Männer aus der Erde hervorwuchsen. Im Folgenden liegt die
Hinweisung auf eine solche mythische Entstehung der Menschen aus der
Erde deutlich genug vor. Aber die etymologische Deutung, welche jenem
Mythus insoferne gegeben wurde, daß jene erdentsprossenen Männer
eben die Sparten gewesen seien, ist sowohl wegen der allgemeinen
Hinneigung Plato’s zu Lacedämon, als auch insbesondere wegen der
alsbald folgenden Angabe der Lebens-Einrichtungen u. dgl. nicht zu
übersehen, da ja all Derartiges im Ganzen in spartanischen Institutionen
schon als Vorbild für Plato’s Theorie dastand., welche zwar früher schon
an vielen Orten vorkam, wie die Dichter behaupten und uns hievon auch
überzeugt haben, in unseren Zeiten aber nie vorgekommen ist und
vielleicht, was ich nicht weiß, auch nicht vorkommen wird, jedenfalls
aber eine bedeutende Ueberzeugungskraft erfordert, um Jemanden davon
zu überzeugen. – Es sieht ja aus, sagte er, als nehmest du Anstand, es zu
sagen. – Ich werde dir aber auch, erwiederte ich, aus guten Gründen
Anstand zu nehmen scheinen, sobald ich es nur wirklich gesagt habe. –
So sprich es nur aus, sagte er, und habe keine Furcht. – So spreche ich es
denn nun aus; und doch weiß ich nicht, mit welcher Kühnheit oder mit
welchen Worten ich es sagen und versuchen soll, zunächst die Herrscher
selbst und die Krieger, sodann aber auch den übrigen Staat davon zu
überzeugen, daß sie all dasjenige, was wir bisher über ihre Pflege und
Bildung sagten, gleichsam in einem Traume zu erleben und an sich zu
erfahren schienen, sie aber damals in Wahrheit unter der Erde im Innern
derselben geformt und gepflegt wurden, sie selbst und ihre Waffen und
all ihre übrigen kunstvoll gefertigten Geräthe, und sie dann, nachdem sie
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