Page 132 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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vollständig ausgearbeitet waren, und ihre Mutter, die Erde, sie nach
Oben an’s Licht gesendet hatte, nun auch über das Land, in welchem sie
sind, wie über eine Mutter und Pflegerin, sich berathen und dasselbe
vertheidigen müssen, wenn Jemand es angreift, und sie ebenso auch über
die übrigen Bürger wie über Brüder und gleichfalls Erdentsprossene
denken müssen. – Nicht umsonst allerdings, sagte er, hast du schon von
vorneherein dich geschämt, diese Lüge auszusprechen. – Allerdings,
erwiederte ich, aus guten Gründen; aber dennoch höre auch noch das
Uebrige dieser Fabel. Ihr alle nemlich, – so werden wir zu ihnen in
Erzählung der Fabel sprechen –, seid Brüder im Staate; aber der Gott hat,
als er euch formte, denjenigen von euch, welche tüchtig zum Herrschen
sind, bei der Entstehung Gold beigemischt, daher diese auch die
Ehrwürdigsten sind, Silber hingegen jenen, welche Helfer sind, Eisen
aber und Erz den Landbebauern und den übrigen Handwerkern.
Insoferne ihr also sämmtlich mit einander verwandt seid, erzeugt ihr
wohl meistenteils solche Nachkommen, welche euch selbst ähnlich sind,
zuweilen aber kann auch aus einem Goldenen ein silberner Sprößling
und aus einem Silbernen ein goldener Sprößling und ebenso auch bei
allen Uebrigen wechselseitig entstehen. Den Herrschern also gebietet der
Gott vor Allem und zumeist, daß sie in Nichts so gute Wächter sein und
Nichts so sehr bewachen sollen, als eben ihre Sprößlinge, nemlich was in
den Seelen derselben etwa beigemischt sei, und daß sie, wenn ihr
Sprößling mit Erz oder mit Eisen versetzt zur Welt komme, in keiner
Weise Mitleid haben, sondern die seiner Begabung gebührende Geltung
ihm verleihen und ihn in die Handwerker und Landbebauer verstoßen,
und hinwiederum auch, wenn von diesen Einer mit Gold oder Silber
versetzt geboren wird, sie ihm seine Geltung anweisen und ihn entweder
zu den Wächtern oder zu den Helfern hinaufbringen, da es ein altes
Orakel ist, daß der Staat dann zu Grunde gehe, wann ihn das Eisen oder
das Erz bewache. Weißt du also nun betreffs dieser Fabel irgend eine
Möglichkeit, daß die Leute von ihr überzeugt werden? – In keiner Weise,
sagte er, wenigstens, daß diese Jetzigen selbst es werden, vielleicht aber,
daß deren Söhne und Nachkommen und überhaupt die späteren
MenschenPlato schmeichelt sich also, wie Doktrinäre so gerne thun, der
Hoffnung, daß seine Theorie in Zukunft von allen Menschen als die
Lösung aller Räthsel und als der wahre Stein der Weisen werde
betrachtet werden. Ueber den Aristokratismus, welcher dieser
platonischen Vision zu Grunde liegt, brauchen wir wohl eben so wenig
ein Wort hinzuzufügen, wie über die darin enthaltene
Prädestinationslehre, welche jede persönliche Freiheit aufhebt. Was soll
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