Page 128 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ein Feind der begründenden Rede, glaube ich, wird der Derartige und ein
                musisch Ungebildeter, und von der Ueberzeugung durch Angabe der
                Gründe wird er keinerlei Gebrauch mehr machen, sondern mit Gewalt

                und Wildheit wird er wie ein Thier bei Allem seinen Willen durchsetzen,
                und in Unwissenheit und Unbeholfenheit verbunden mit Formlosigkeit
                und Garstigkeit wird er sein Leben führen. – Ja durchaus so, sagte er,
                verhält sich’s. – Zum Behufe dieser beiden demnach, wie es scheint, hat
                diese beiden Künste, wie ich wohl behaupten möchte, irgend ein Gott
                den Menschen verliehen, nemlich die musische und die gymnische Kunst
                zum Behufe des Muthigen und des Strebens nach Weisheit, nicht aber

                zum Behufe der Seele und des Leibes, außer etwa nur nebenbei, sondern
                eben zum Behufe jener anderen beiden, damit nemlich dieselben durch
                wechselseitiges Anspannen und Nachlassen bis zum eigentlich
                Gebührenden sich harmonisch vereinigen. – Ja, so scheint es auch, sagte
                er. – Also von demjenigen, welcher am schönsten mit der musischen
                Bildung die gymnische mischt und im richtigsten Maße sie an die Seele

                heranbringt, möchten wir wohl am füglichsten behaupten, daß er in
                vollendeter Weise der am meisten musisch Gebildete und harmonisch
                Gestaltete ist, weit mehr als jener, welcher bloß die Saiten harmonisch
                zusammen stellt. – Ja, aus guten Gründen wohl, o Sokrates, sagte er. –
                Nicht wahr also, auch in unserem Staate, o Glaukon, bedürfen wir stets
                eines derartigen Vorstehers, woferne die Staatsverfassung bewahrt
                bleiben soll. – Ja allerdings, im möglichst höchsten Grade werden wir

                eines solchen bedürfen. –
                     19. Das Gepräge denn nun der Erziehung und der Pflege dürfte
                dieses sein; denn wozu sollte man noch die Reigentänze der derartigen
                und ihre Jagden mit oder ohne Hunde und ihre gymnischen Wettkämpfe
                und Pferderennen durchgehen? es ist nemlich so ziemlich klar, daß
                Solches mit dem Vorigen im Einklange sein muß, und es ist nicht schwer,

                es ausfindig zu machen. – Ja, vielleicht, sagte er, ist es nicht schwer. –
                Weiter, sagte ich, was also dürfte uns wohl nach diesem festzustellen
                sein? etwa nicht die Frage, wer denn nun von eben diesen der
                Herrschende und der Beherrschtwerdende sei? – Was denn sonst? – Daß
                nun wohl bejahrtere die Herrscher sein müssen, jüngere aber die
                Beherrschten, ist klar? – Ja, klar. – Und auch, daß es ja die besten unter
                ihnen sein müssen? – Ja, auch dieß. – Sind aber nicht unter den

                Landbebauern die besten jene, welche im höchsten Grade Landbebauer
                sind? – Ja. – Nun aber, da jene ja unter den Wächtern die besten sein
                sollen, müssen es nicht diejenigen sein, welche im höchsten Grade
                Wächter des Staates sind? – Ja. – Nicht wahr also, sowohl klug müssen





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