Page 124 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Gar feine Leute ja, sagte er, sind zufolge deiner Aeußerungen die
                Aeskulap-Söhne. –^
                     16. Dieß ziemt sich aber auch, sprach ich; und doch stimmen ja mit

                uns die Tragödiendichter und PindarosPindar, Pyth. III, V. 96. Bei den
                uns erhaltenen Tragikern findet sich dieser Mythus nicht. nicht überein
                und behaupten, Asklepios sei zwar ein Sohn des Apollo, habe sich aber
                durch Gold bereden lassen, einen reichen, bereits dem Tode nahen, Mann
                zu heilen, und daher denn auch sei er durch einen Blitz getötet worden;
                wir hingegen werden gemäß dem früher Gesagten B. II, Cap. 19. Jenen
                nicht zugleich beides glauben, sondern wenn er der Sohn eines Gottes

                war, so war er, werden wir sagen, nicht gewinnsüchtig, wenn aber
                gewinnsüchtig, so war er nicht eines Gottes Sohn. – Ja, völlig richtig
                wohl, sagte er, ist dieß wenigstens; aber, o Sokrates, was meinst du
                betreffs des folgenden: müssen wir etwa nicht in unserem Staate tüchtige
                Aerzte haben, und waren nicht solche zumeist diejenigen, welche die
                größte Anzahl Gesunder, aber auch die größte Anzahl Kranker unter

                ihren Händen gehabt, und hinwiederum ebenso auch tüchtige Richter
                diejenigen, welche mit gar mannigfaltigen Charakteren Umgang gehabt
                haben? – Ja wohl, gar sehr, sagte ich, bezeichne ich solche als tüchtige;
                aber weißt du, welche ich für derartige halte? – Wenn du es angibst,
                sagte er. – Aber ich will es versuchen, sprach ich; du jedoch fragtest in
                Einem Satze um Dinge, welche einander nicht ähnlich sind. – Wie so?
                sagte er. – Als Aerzte nemlich, sprach ich, möchten sie allerdings die

                größte Gewandtheit erlangen, wenn sie, von Jugend auf anfangend,
                neben dem Erlernen ihrer Kunst auch mit möglichst vielen und möglichst
                schlechten Körpern umgingen und auch alle Krankheiten sie selbst
                einmal erlitten und überhaupt keine sehr feste Gesundheit hätten;
                nemlich, meine ich, nicht vermittelst des Körpers heilen sie den Körper,
                denn außerdem ginge es ja eben nicht an, daß ihr eigener Körper jemals

                schlecht wäre oder würde, sondern vermittelst der Seele heilen sie den
                Körper, bei welcher es ja eben nicht angeht, daß sie schlecht wird oder
                ist und dabei doch eine gute Heilung bewirkt. – Dieß ist richtig, sagte er.
                – Hingegen der Richter ja, mein Freund, sprach ich, übt vermittelst der
                Seele eine Herrschaft über die Seele aus, für welche es nicht angeht, daß
                sie von Jugend auf unter schlechten Seelen aufgewachsen und mit ihnen
                umgegangen sei und alle ungerechten Thaten in eigener Ausübung selbst

                durchlaufen habe, so daß sie etwa von sich selbst aus mit scharfem
                Blicke die ungerechten Thaten der Uebrigen erkennen würde, wie
                bezüglich des Körpers die Krankheiten; sondern unerfahren in schlechten
                Sitten und unvermischt muß sie schon in ihrer Jugend dastehen, woferne





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