Page 127 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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liegen und bei größerem Nachlassen weicher werden als nöthig ist,
                hingegen bei richtiger Bildung eben ein Sanftes und Ordentliches? – Ja,
                so ist es. – Wir behaupten aber ja B. II, Cap. 15., daß unsere Wächter

                diese beiden Begabungen haben sollen. – Ja, sie sollen es. – Nicht wahr
                also, wechselseitig müssen dieselben in Harmonie stehen? – Wie sollte
                es anders sein? – Und die Seele desjenigen, welcher harmonisch so
                gebildet ist, ist besonnen und tapfer? – Ja wohl. – Die desjenigen
                hingegen, welcher nicht harmonisch, feig und roh? – Ja wohl, gar sehr. –
                     18. Nicht wahr also, wenn Jemand der musischen Bildung sich
                darbietet, daß sie durch die Ohren wie durch einen Trichter in seine Seele

                jene von uns so eben erwähnten süßen und weichen und weinerlichen
                Tonweisen hineinflöte und in ihr ausgieße, und wenn er sowohl in
                wehklagender, als auch in fröhlicher Stimmung in Folge des Gesanges
                sein ganzes Leben zubringt, so wird er allerdings beim ersten Anfange,
                woferne er ein Muthiges in sich trug, es wie Eisen erweichen und aus
                einem unbrauchbaren und harten zu einem brauchbaren machen; wenn er

                aber so fortfährt und, ohne hierin nachzulassen, es stets besänftigt, so
                wird er bald hernach es bereits zerschmelzen und flüssig machen, bis er
                den Muth herausgeschmolzen und die Sehnen aus der Seele
                herausgeschnitten und einen »weichlichen Kämpfer«Ilias XVII, V. 588.
                erzeugt hat. – Ja wohl, allerdings, sagte er. – Und wenn er, sprach ich, es
                hiebei von vorneherein mit einem Muthlosen zu thun hat, so ist er
                schnell damit fertig, wenn aber mit einem Muthigen, so wird er den

                Muth schwächen und zu einem unüberlegten machen, welcher von
                kleinen Veranlassungen schnell aufbraust und wieder gelöscht wird; also
                Jähzornige und leidenschaftliche, nicht aber Mutige, sind diese
                geworden, voll von Unverträglichkeit. – Ja wohl, gar sehr. – Wie aber
                nun? Wenn hinwiederum Jemand in gymnischer Kunst sich vielfach
                anstrengt und in derselben förmlich schwelgt, musische Bildung aber

                und Streben nach Weisheit gar nicht einmal berührt, wird er da nicht
                beim ersten Anfange allerdings sich körperlich wohl verhaltend mit
                Selbstvertrauen und Muth erfüllt und tapferer werden, als er selbst war?
                – Ja, sehr. – Was aber weiter? sobald er gar Nichts anderes betreibt und
                in keinerlei Gemeinschaft mit irgend Musischem tritt, wird dann nicht,
                wenn auch in seiner Seele ein Lernbegieriges sich fand, dasselbe, weil es
                weder irgend einen Lerngegenstand oder eine Forschung zu kosten

                bekam, noch auch der begründenden Reden oder der übrigen musischen
                Thätigkeit theilhaftig wurde, nicht sicher ein Schwaches und Taubes und
                Blindes werden, insoferne es nicht geweckt und nicht genarrt und seine
                Wahrnehmungen nicht gereinigt wurden? – Ja, ebenso, sagte er. – Also





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