Page 137 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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wir, wie wir glauben, den glücklichen Staat, und zwar nicht einen bloßen
Theil desselben hervorhebend, indem wir etwa nur einige Wenige als
glückliche aufstellen würden, sondern eben den ganzen; hernach aber
dann werden wir den entgegengesetzten erwägenD. h. die eigentliche
Darstellung des vollkommenen und glücklichen Staates, zu welcher
sämmtliches vom 10. Cap. des II. Buches an Gesagte vorbereitend dient,
beginnt alsbald unten im 6. Cap. dieses IV. Buches und erstreckt sich bis
zum Schlusse des VII. Buches; hierauf folgt dann die Erörterung des
unglücklichen Staates und der sog. schlechten Staatsformen im ganzen
VIII. und den ersten drei Capiteln des IX. Buches (s. o. Inhalts-
Uebersicht). Vgl. auch unten B. V, Cap. 13 b. Anm. 190 [5].. Ebenso also
wie wenn Jemand, während wir Bildsäulen bemalenDaß die Alten
wirklich Bildsäulen, welche aus Stein gefertigt waren, bemalten, darf
nun wohl als ausgemacht gelten., zu uns herzuträte und uns tadelte, daß
wir den schönsten Theilen der ganzen Gestalt nicht auch die schönsten
Farben geben, denn die Augen, die doch das schönste sind, seien nicht
mit Purpur, sondern schwarz angestrichen, wir dann wohl ganz genügend
uns gegen ihn durch die Worte zu vertheidigen schienen: »Du
Wunderlicher, glaube doch nicht, es sei nothwendig, die Augen so schön
zu malen, daß sie gar nicht einmal mehr als Augen erscheinen, und
ebenso auch bei den übrigen Theilen, sondern beachte nur, ob wir jedem
einzelnen das ihm Gebührende verleihen und hiedurch das Ganze zu
einem schönen machen«, – ebenso zwinge uns jetzt auch nicht, den
Wächtern einen derartigen Glückszustand beizumessen, welcher sie eher
zu allem Anderen, nur nicht zu Wächtern machen wird; denn wir
verstehen es allerdings sehr wohl, den Landbebauern den Rath zu geben,
daß sie mit Prunkgewändern angethan und mit Goldschmuck behängt
völlig nach Vergnügen ihr Land bestellen, und so auch den Töpfern, daß
sie sich hinstrecken neben dem Feuer und der Reihe nach sich zutrinken
und schwelgen und die Töpferscheibe dabei neben sich legend so viel
verfertigen als sie eben Lust haben, und wir verstehen es, auch alle
Uebrigen auf solche Weise zu beglücken, damit ja der ganze Staat
glücklich sei; aber gib uns nur nicht solche Lehren, daß, wenn wir dir
folgen, weder der Landbebauer mehr ein Landbebauer, noch der Töpfer
ein Töpfer ist, noch irgend ein Anderer mehr jene ihm eigene Form hat,
woraus zuletzt ein Staat entsteht. Aber jene Uebrigen kommen weniger
in Betracht; denn wenn Schuhflicker schlecht werden und zu Grunde
gehen und sich als solche geberden, während sie es nicht sind, so ist dieß
für den Staat nichts Arges; wenn aber Wächter der Gesetze und des
Staates es nicht wirklich sind, sondern bloß zu sein scheinen, dann siehst
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