Page 138 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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du wohl, daß sie den gesammten Staat von Grund aus vernichten, und
daß hinwiederum auch sie allein für die richtige Einrichtung und für das
Glück desselben den Anhaltspunkt in Händen haben. Wenn also wir die
Wächter in Wahrheit zu solchen machen, welche am wenigsten dem
Staate Böses zufügen, der Urheber jenes Einwandes aber sie zu irgend
Landbebauern und zu solchen macht, welche wie in einer
Festversammlung und nicht wie in einem Staate die glücklichen
Festgeber spielen, so meint er hiemit wohl etwas Anderes als einen Staat.
Es ist also zu erwägen, ob wir die Wächter im Hinblicke darauf
aufstellen sollen, daß ihnen selbst der größte Glücksstand ermöglicht
werde, oder ob wir dieß im Hinblicke auf den ganzen Staat, ob nemlich
ihm es ermöglicht werde, betrachten sollen, jene Helfer aber und die
Wächter zwingen und überreden müssen, das zu bewerkstelligen, daß sie
die bestmöglichen Werkmeister der ihnen eigenen Werkthätigkeit seien,
und bei allen Uebrigen ebenso, und hiemit auf diese Weise, indem der
gesammte Staat wächst und richtig eingerichtet wird, es eben so belassen
müssen, wie den je einzelnen Klassen ihre innere Natur selbst eine
Teilnahme an dem Glücksstande verleiht. – Aber du scheinst mir, sagte
er, hierin Recht zu haben. –
2. Werde ich also wohl, sagte ich, auch das hiemit nahe Verwandte
dir richtig anzugeben scheinen? – Was denn eigentlich? – Erwäge
hinwiederum auch betreffs der übrigen Werkmeister, ob Folgendes sie
verderbe, so daß sie gleichfalls schlechter werden. – Welcherlei soll dieß
sein? – Reichthum und Armuth, sagte ich. – Wie so denn? –
Folgendermaßen: Scheint es dir, daß ein reich gewordener Töpfer noch
um seine Kunst sich bekümmern werde? – Keineswegs, sagte er. –
Sondern träge wohl und sorglos wird er in höherem Grade werden, als er
früher war? – Ja, bei Weitem. – Nicht wahr also, ein schlechterer Töpfer
wird er? – Ja, bei Weitem auch dieß. – Und nun ja, wenn er in Folge von
Armuth Werkzeuge oder irgend etwas Anderes, was zu seiner Kunst
gehört, sich nicht anschaffen kann, so wird er sowohl seine Arbeit
schlechter machen, als auch seine Söhne oder Andere, welche er
heranbildet, zu schlechteren Werkmeistern heranbilden. – Warum nicht?
– Durch beides demnach, nemlich durch Armuth und durch Reichthum
werden schlechter die Werke der Künste, schlechter aber auch die
Künstler selbst. – Ja, so zeigt sich’s. – Also schon ein Weiteres, wie es
scheint, haben wir wieder für die Wächter gefunden, von welchen man
auf jede Weise verhüten muß, daß es nicht, von ihnen unbemerkt, in den
Staat eindringe. – Welches ist dieß? – Eben Reichthum und Armuth,
sagte ich, da ersterer Ueppigkeit und Trägheit und Neuerungssucht
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