Page 139 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 139
erzeugt, letztere aber auch unfreien Sinn und schlechte Arbeit neben der
Neuerungssucht. – Ja, allerdings wohl, sagte er; aber erwäge, o Sokrates,
auch Folgendes: Wie wird unser Staat im Stande sein, Krieg zu führen,
wenn er nicht Geld besitzt, zumal falls er genöthigt ist, gegen einen
großen und reichen Staat Krieg zu führenDie Erledigung dieses
Einwurfes zielt auf die Einheitlichkeit des Staates hinaus, und es ist
hiebei der wirklich schwierige und versteckte Gedankengang folgender:
die reichen Staaten sind als weichlich von vornherein schlechte Kämpfer,
namentlich durchaus bezüglich der eigentlichen Kriegführung; aber auch
im Einzel-Ringkampfe, zu welchem sie doch noch etwas mehr befähigt
sind, wird man, weil es an der völligen Gewandtheit ihnen auch hierin
gebricht, gerade mit zwei oder mehreren solchen Gegnern durch
Diversion und durch Ausdauer selbst eher fertig werden, als mit Einem;
und es werden daher weichliche reiche Staaten mit den kriegerisch
geübten gerne Frieden halten, oder selbst mit ihnen sich verbünden. Die
Vereinzelung aber klebt den reichen Staaten wesentlich an; denn eine
wahre innere Einheitlichkeit kann bei geldbesitzenden Staaten überhaupt
niemals bestehen, da stets der Dualismus zwischen Arm und Reich
obwalten wird, und man kann daher hiebei eigentlich nie von Einem
Staate, sondern nur von einer Staaten-Mehrheit sprechen. Darum ist es
bei dem Verkehre mit solchen Staaten gänzlich verfehlt, sie als
einheitliche zu behandeln (denn dann hat man jene beiden Parteien zu
Feinden); hingegen wenn man in denselben die Reichen als Reiche und
die Armen als Arme behandelt, wird man sie Alle zu Freunden haben.
Der Idealstaat aber ist bei richtiger Haltung an sich schon jedenfalls ein
einheitlicher, abgesehen von allem quantitativen Maße äußerer
Ausdehnung, und (Anf. d. folg. Cap.) bezüglich der letzteren bleibt als
Hauptregel, daß eben durch sie die Einheitlichkeit nicht gestört werde.? –
Es ist klar, sagte ich, daß es gegen Einen solchen schwerer sein wird,
leichter aber gegen Zwei derartige. – Was sagtest du da? erwiederte er. –
Erstens ja, sagte ich, werden sie, wenn es zum Kampfe kömmt, doch
wohl mit reichen Männern zu kämpfen haben, sie, die geübte Streiter im
Kriege sind? – Ja, dieß gewiß, sagte er. – Wie also nun? o Adeimantos,
sprach ich; scheint es dir nicht, daß Ein Faustkämpfer, welcher hiezu so
trefflich als möglich gerüstet ist, mit Zweien, welche keine
Faustkämpfer, wohl aber reich und fett sind, gar leicht kämpfen würde? –
Nicht doch vielleicht, sagte er, wenigstens zu gleicher Zeit. – Etwa auch
dann nicht, wenn er die Möglichkeit hätte, in verstellter Flucht jedesmal
denjenigen von den beiden, welcher zuerst sich ihm naht, sobald er nach
ihm sich umwendet, zu schlagen, und er dieß zu wiederholten Malen in
138