Page 140 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 140

der brennenden Sonnenhitze thäte? würde etwa ein Solcher nicht sogar
                auch mehrere Solche bändigen? – Ja, es wäre zuletzt, sagte er, dieß wohl
                kein Wunder. – Aber glaubst du nicht, daß die Reichen vermöge ihres

                Wissens und ihrer Erfahrung an der Kunst des Faustkampfes doch selbst
                noch mehr Antheil haben als an jener des eigentlichen Krieges? – Ja,
                sicher, sagte er. – Gar leicht also würden, wie es wahrscheinlich ist,
                unsere geübten Streiter gegen eine doppelt oder dreifach so große
                Anzahl, als sie selbst sind, kämpfen? – Ich will es dir hiemit zugeben,
                sagte er; denn du scheinst mir Recht zu haben. – Wie aber? wenn sie eine
                Gesandtschaft in jenen anderen Staat schicken und, was auch die

                Wahrheit ist, sagen würden: »Wir machen keinen Gebrauch von Gold
                oder Silber, und es ist dieß bei uns nicht erlaubt, bei euch hingegen wohl;
                vereiniget euch daher im Kriege mit uns und nehmt hiemit die Habe der
                Uebrigen« –, glaubst du da, daß irgend Jemand, wenn er dieß hört, es
                vorziehen würde, gegen abgehärtete und hagere Hunde zu kämpfen, als
                in Verbindung mit den Hunden gegen fette und weichliche Schafe? –

                Keiner, wie mir scheint; aber wenn ja in Einen Staat das Vermögen aller
                übrigen etwa vereinigt würde, so sieh doch zu, ob dieß nicht dem des
                Reichthumes entbehrenden Staate Gefahr bringe. – Du besitzest doch
                eine glückliche Unbefangenheit, sagte ich, daß du es der Mühe werth
                hältst, auch noch irgend etwas Anderes mit dem Namen »Staat« zu
                bezeichnen, als denjenigen, welchen wir bisher einrichteten. – Aber was
                soll es denn sonst sein? sagte er. – Eine weit größere Bezeichnung,

                sprach ich, ist für die übrigen erforderlich; denn ein jeder einzelne
                derselben ist, wie man im Scherze sagen könnte, gar viele Staaten, nicht
                aber ein Staat; nemlich zwei sind es, mag es gehen wie es wolle,
                jedenfalls, und zwar gegenseitig feindliche, der eine der Staat der Armen
                und der andere der Staat der Reichen, und in jedem dieser beiden sind
                wieder sehr viele; wenn du aber all diesen wie einem Einzigen dich

                näherst, so greifst du überall Fehl, hingegen wenn du dich ihnen wie
                wirklich vielen näherst, indem du, was Sache der Verschiedenen ist, eben
                den Verschiedenen zutheilst, mag dieß das Geld oder die Macht oder die
                Personen selbst betreffen, so wirst du wenigstens immer viele
                Bundesgenossen, aber wenige Feinde haben. Und so lange dein Staat
                eben in jener besonnenen Weise, welche wir bisher feststellten,
                eingerichtet ist, wird er an sich der größte sein, ich meine aber hiemit

                nicht der Geltung bei den Leuten nach, sondern in Wahrheit der größte,
                und sollte er auch nur tausend Streiter zählen; denn einen einheitlichen
                Staat, welcher in eben diesem Sinne ein großer wäre, findest du
                überhaupt nicht leicht, weder bei den Griechen noch bei den





                                                          139
   135   136   137   138   139   140   141   142   143   144   145