Page 145 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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erräth, und diese zu erfüllen gewandt ist, als ein tüchtiger Mann und als
                ein Weiser in den wichtigsten Dingen gilt und von ihnen geehrt wird? –
                Ja wohl, sagte er, das Nemliche scheinen sie mir zu thun, und ich lobe sie

                in keinerlei Weise. – Wie aber hinwiederum? bewunderst du nicht
                diejenigen, welche den Willen und Eifer haben, derartigen Staaten zu
                schmeicheln, wegen ihres Muthes und ihrer Geschmeidigkeit? – Ja
                gewiß, sagte er, nur diejenigen nicht, welche von jenen sich täuschen
                ließen und in Wahrheit sich für Staatsmänner halten, weil sie vom großen
                Haufen gelobt werden. – Wie sagst du? keine Verzeihung also läßst du,
                sprach ich, solchen Männern angedeihen? oder glaubst du, es sei für

                einen Mann, welcher sich auf das Messen nicht versteht, irgend möglich,
                es nicht von sich selbst wirklich zu glauben, wenn andere Derartige ihm
                sagen, er sei vier Ellen groß? – Ja, dieß wenigstens, sagte er, möchte ich
                schwerlich glauben. – Also zürne ihnen nicht; denn es sind ja auch wohl
                von Allen die köstlichsten Diejenigen, welche gesetzliche
                Bestimmungen, wie wir sie so eben vorhin durchgingen, immer

                aufstellen und wieder verbessern, in dem Wahne, sie fänden irgend eine
                feste Gränze betreffs der Vergehen in dem Verkehre und betreffs der so
                eben erwähnten Dinge, dabei aber nicht wissend, daß sie in Wahrheit
                gleichsam nur einer Hydra die Köpfe abschneidenUeber die Hydra s. m.
                Anm. 31 z. Phädon. – Wer das Treiben der Athener in ihrer sogenannten
                Blüthezeit kennt, wird das Zutreffende in diesen Worten Plato’s sogleich
                fühlen und sich vielleicht auch eines Ausdruckes des Aristophanes

                erinnern, welcher die Athener als Psephisma-Krämer, d. h. als Solche
                bezeichnet, welche mit administrativen Volksbeschlüssen einen
                förmlichen Schacher treiben.. – Und in der That ja, sagte er, sie thun
                wirklich nichts Anderes. – Ich demnach, sprach ich, möchte glauben, daß
                mit der derartigen Gattung betreffs der Gesetze und der Verfassung
                weder in einem gut, noch in einem schlecht verwalteten Staate der

                wahrhafte Gesetzgeber sich beschäftigen solle, in dem letzteren, weil da
                diese Bestimmungen nutzlos sind und Nichts fördern, in ersterem, weil
                die einen derselben Jedweder leicht selbst finden dürfte, die anderen aber
                in Folge früherer Bestrebungen ganz von selbst sich einstellen. – Was
                also, sagte er, möchte uns wohl von der Gesetzgebung jetzt noch übrig
                sein? – Und ich sprach: Uns selbst Nichts mehr, aber dem Apollo, dem
                Gotte in Delphi, noch die wichtigsten und schönsten und

                ursprünglichsten aller gesetzlichen Bestimmungen. – Welche sind dieß?
                sagte er. – Gründungen von Tempeln und Opfer und andere
                Dienstleistungen gegen Götter, Dämonen und Heroen, und hinwiederum
                Bestattungen der Todten und welcherlei Dienstleistungen sonst noch wir





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