Page 148 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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vorkommenden sich beräth, sondern über den ganzen Staat, auf welche
                Weise er sowohl selbst mit sich selbst, als auch mit den anderen Staaten
                am besten in Verkehr sei? – Ja, es gibt ein solches. – Welches ist es, sagte

                ich, und bei welchen Bürgern? – Eben dieses Wissen des Wächters ist es,
                erwiederte er, und es ist bei diesen Herrschern, welche wir vorhin so
                eben B. III, Cap. 20 am Schlusse. die vollkommenen Wächter nannten. –
                Wie also nennst du wegen dieses Wissens den Staat? – Einen
                wohlberathenen, sagte er, und einen wirklich weisen. – Glaubst du also
                nun, sprach ich, daß in unserem Staate eine größere Anzahl von
                Erzschmieden oder von diesen wahrhaften Wächtern sein werde? – Bei

                weitem ja, sagte er, eine größere von Erzschmieden. – Nicht wahr also,
                sagte ich, auch von allen übrigen, welche irgend ein einzelnes Wissen
                besitzen und von ihm ihren Namen haben, möchten wohl diese Wächter
                die wenigsten sein? – Ja, bei weitem. – Also vermöge der kleinsten
                Klasse und Abtheilung und des in ihr befindlichen Wissens, nemlich
                vermöge desjenigen, was das Vorstehende und das Herrschende ist,

                möchte wohl der ganze Staat, wenn er naturgemäß gegründet ist, ein
                weiser sein; und es entsteht, wie es scheint, von Natur aus in geringster
                Anzahl jene Gattung, welcher es zukömmt, an diesem Wissen Theil zu
                nehmen, das allein von allem Wissen eine Weisheit genannt werden soll.
                – Völlig wahr, sagte er, sprichst du da. – Also dieses Eine von den vieren
                haben wir, ich weiß selbst nicht, auf welche Weise hiemit gefunden,
                sowohl es selbst, als auch wo im Staate es sitze. – Mir wenigstens, sagte

                er, scheint es in hinreichender Weise gefunden zu sein. –
                     7. Nun aber ist es ja von der Tapferkeit, sowohl was sie selbst, als
                auch was den Theil des Staates betrifft, in welchem sie beruht und von
                welchem aus der Staat selbst als ein derartiger zu bezeichnen ist,
                durchaus nicht schwer einzusehen. – Wie so denn? – Wer möchte wohl
                im Hinblicke auf etwas Anderes einen Staat entweder einen feigen oder

                einen tapferen nennen, als im Hinblicke auf jenen Theil, welcher für ihn
                kämpft und in’s Feld zieht? – Wohl Niemand, sagte er, im Hinblicke auf
                etwas Anderes. – Nicht nemlich, sagte ich, liegt es, wie ich glaube, in der
                Macht der übrigen in ihm Befindlichen, daß, wenn sie selbst feig oder
                tapfer sind, darum auch schon der Staat so oder so beschaffen wäre. –
                Nein, allerdings nicht. – Also auch tapfer ist ein Staat vermöge eines
                seiner Theile, weil er nemlich in ihm die derartige Kraft besitzt, welche

                in jeder Beziehung die richtige Meinung betreffs des Furchtbaren
                bewahren wird, daß dieses eben dasjenige und das Derartige sei, was
                schon der Gesetzgeber in der Erziehung als solches bezeichnet hat; oder
                nennst du das eben Gesagte nicht Tapferkeit? – Nicht völlig habe ich





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