Page 149 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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verstanden, sagte er, was du angabst, sondern gib es noch einmal an. –
                Als eine Bewahrung, sprach ich, bezeichne ich hiemit irgend die
                Tapferkeit. – Als welche Bewahrung denn? – Als die jener Meinung,

                welche durch das Gesetz in Folge der Erziehung betreffs des Furchtbaren
                entstanden ist, was und welcherlei das Furchtbare sei; in jeder Beziehung
                aber eine Bewahrung nannte ich sie darum, weil man sie, mag man in
                Trauer oder in Vergnügungen oder in Begierden oder in Furcht sich
                befinden, bewahrt und nicht verliert. Womit dieß aber mir Aehnlichkeit
                zu haben scheint, will ich, wenn du wünschest, durch ein Gleichniß
                ausdrücken. – Ja. ich wünsche es auch. – Nicht wahr also, sprach ich, du

                weißt, daß die Färber, wenn sie Wolle so färben wollen, daß sie purpurn
                wird, zuerst aus einer so großen Menge von Färbungen der Wolle die
                Eine natürliche Begabung, nemlich die der weißen Wolle, auswählen und
                dann mit nicht geringer Zurichtung sie so zurichten und sorgfältig
                behandeln, daß sie so sehr als möglich den Farbstoff in sich aufnehme,
                und so denn erst wirklich sie färben; und was auf diese Weise gefärbt ist,

                wird farbehaltig, und kein Auswaschen mit oder ohne Seife vermag aus
                ihm den Farbstoff wegzunehmen; was aber nicht so gefärbt ist, von dem
                weißst du ja, wie es wird, mag man es mit dieser oder mit irgend einer
                anderen Farbe ohne vorhergehende Zurichtung färben. – Ja, ich weiß,
                sagte er, daß Solches im Waschen ausgeht und überhaupt sich lächerlich
                ausnimmt. – Etwas Derartiges demnach, sprach ich, nimm nun an, daß
                auch wir nach Kräften bewerkstelligen, wenn wir die Krieger auswählen

                und in musischer und gymnischer Bildung erziehen; stelle dir nemlich
                vor, daß wir hiemit nichts Anderes veranstalten, als daß sie uns so
                trefflich als möglich durch Ueberzeugung die Gesetze in sich aufnehmen
                wie eine Farbe, damit ihre Meinung farbehaltig werde, sowohl betreffs
                des Furchtbaren, als auch betreffs des Uebrigen, weil sie eine taugliche
                Begabung und Pflege erhalten haben, und daß ihr Färbestoff von jener

                zum Wegspülen so wirksamen Seife nie ausgewaschen werden könne,
                nemlich von dem Vergnügen, welches ja hierin wirksamer als alle Lauge
                und Asche ist, und von Trauer und von Furcht und von Begierde, welche
                wirksamer sind als alle Seife. Die derartige Kraft und Bewahrung also
                der richtigen und gesetzlichen Meinung in jeder Beziehung betreffs des
                Furchtbaren und nicht Furchtbaren nenne ich Tapferkeit und stelle dieß
                als ihren Begriff auf, woferne nicht du etwas Anderes aussprichst. –

                Aber ich spreche ja, sagte er, nichts Anderes aus; denn du scheinst mir
                jene richtige Meinung, welche betreffs eben dieser Dinge ohne Bildung
                entstanden ist, nemlich die bei Thieren und Sklaven sich findende, nicht
                gerade für eine sehr gesetzliche zu halten und daher als etwas Anderes,





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