Page 150 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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nicht aber als Tapferkeit zu bezeichnen. – Völlig wahr, sagte ich, sprichst
du da. – Ich lasse es demnach gelten, daß dieß Tapferkeit sei. – Ja,
allerdings, sagte ich, laß es dir wenigstens als die staatliche Tapferkeit
gefallen, und du wirst hiemit in richtiger Weise dieß thun; später aber
einmal werden wir, wenn du wünschest, diesen Punkt noch einmal besser
besprechen B. V, Cap. 14–16.; nemlich für jetzt suchen wir ja nicht
diesen selbst, sondern die Gerechtigkeit; bezüglich also jener
Untersuchung reicht das Bisherige, wie ich glaube, hin. – Aber du hast
hierin, sagte er, auch Recht. –
8. Zwei Dinge hiemit, sagte ich, sind noch übrig, welche wir in dem
Staate erblicken müssen, die Besonnenheit und dasjenige, um dessen
willen wir ja Alles suchen, die Gerechtigkeit. – Ja wohl, allerdings. – In
welcher Weise also möchten wir wohl die Gerechtigkeit finden, um
nemlich mit der Besonnenheit nicht mehr weiter uns aufzuhalten? – Ich
nun wohl, sagte er, weiß dieß weder, noch auch wünschte ich, daß es
eher sich uns zeige, außer wenn wir vorher auch noch die Besonnenheit
erwogen haben, sondern wenn du mir zu Gefallen sein willst, so erwäge
vor jenem noch diese letztere. – Wohlan also, sagte ich, so will ich es
denn thun, woferne es nicht Unrecht von mir istDer Grund davon, daß
Sokrates eigentlich von der Erörterung der Tapferkeit gleich auf jene der
Gerechtigkeit mit Auslassung der Besonnenheit übergehen will, liegt
doch wohl darin, daß die letztere theils keiner speciellen Klasse der
Staatsbürger anheimfällt, theils doch nur auf das niedere Gebiet der
Begehungen und Leidenschaften sich bezieht.. – So erwäge dieß denn
nun, sagte er. – Ja, erwägen müssen wir es, sprach ich; und zwar, so viel
ich von hier aus sehen kann, gleicht sie weit mehr als die vorigen einem
Einklange und einer Harmonie. – Wie so? – Eine Ordnung doch wohl,
sagte ich, ist die Besonnenheit und eine Beherrschung irgend der
Vergnügungen und Begierden, wie man sagt; als die Eigenschaft
demnach, stärker zu sein, als man selbst ist, bezeichnet man sie
zuweilen, ich weiß nicht, auf welche Weise, und auch andere derartige
Ausrücke werden gleichsam als Spuren dessen, was sie ist, vorgebracht;
oder etwa nicht? – Ja wohl, zumeist jenes, sagte er. – Nicht wahr also,
der Ausdruck »stärker, als man selbst ist«, ist lächerlich; denn wer
stärker ist, als er selbst ist, ist doch wohl zugleich auch schwächer, als er
selbst ist, und umgekehrt, wer schwächer ist, ist auch stärker; denn Ein
und der Nämliche ja ist es, von welchem bei all diesem die Rede ist. –
Wie sollte es auch anders sein? – Aber, sagte ich, es will, wie sich mir
zeigt, jene Redeweise das ausdrücken; daß in dem Menschen selbst
bezüglich seiner Seele das Eine als ein Besseres, das andere als ein
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