Page 144 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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die Schmähungen und die Beschimpfungen und das Anhängigmachen
von Prozessen und das Aufstellen von Richtern betrifft, und wenn irgend
das Eintreiben und Feststellen von Abgaben auf Marktplätzen oder an
Häfen nöthig ist, oder überhaupt auch die sämmtliche Markt-, Stadt-oder
Hafen-Polizei und was sonst derartig ist, – sollen wir es über uns
gewinnen, irgend Etwas von Diesem gesetzlich festzustellen? – Aber es
lohnt sich ja nicht der Mühe, sagte er, guten und tüchtigen Männern
hierüber Vorschriften zu geben, denn das meiste hievon, was nemlich
gesetzlich festgestellt werden soll, werden sie leicht selbst finden. – Ja,
mein Freund, sagte ich, woferne ihnen ein Gott die Bewahrung jener
Gesetze verleiht, welche wir im Vorigen durchgingen. – Wenn aber dieß
nicht geschieht, sagte er, so werden sie mit fortwährendem Aufstellen
und Wiederverbessern vieler derartiger Bestimmungen ihr Leben
hinbringen, in dem Wahne, doch einmal das Beste treffen zu werden. –
Du sprichst hiemit aus, sagte ich, daß die Derartigen ein Leben führen
werden, wie jene Kranken, welche in Folge ihrer Zügellosigkeit ihre
schlechte Lebensweise nicht aufgeben wollen. – Ja, allerdings. – Und in
der That führen diese ja ein gar köstliches Leben; an sich herumcurirend
nemlich bringen sie Nichts zu Wege, als daß sie ihre Krankheiten noch
mannigfaltiger und größer machen und immer in der Erwartung sind,
daß, sobald ihnen Jemand eine Arznei räth, sie durch diese gesund
würden. – Gar sehr ja, sagte er, ist dieß wirklich der Zustand jener,
welche auf solche Weise krank sind. – Wie aber nun? sprach ich; ist
Folgendes an ihnen nicht gar köstlich, daß sie denjenigen für den ärgsten
Feind von Allen halten, welcher ihnen die Wahrheit sagt, daß vor dem
Aufhören ihrer Trinksucht und Völlerei und ihrer Liebesgenüsse und des
Müßigganges weder Arznei, noch Brennen, noch Schneiden, noch
Zauberformeln, noch Amulette, noch irgend sonst etwas Derartiges ihnen
Etwas nützt? – Eben sehr köstlich ist dieß nicht, sagte er; denn
demjenigen zu grollen, welcher Recht hat, ist nichts Köstliches. – Kein
Lobredner, sagte ich, bist du, wie es scheint, der derartigen Männer. –
Nein, bei Gott nicht. –
5. Und also auch, wenn der gesammte Staat Solches thut, wie wir so
eben vorhin sagten, wirst du es nicht loben.. Oder scheinen dir nicht das
Nämliche, wie jene, unter den Staaten alle diejenigen zu thun, welche,
während sie schlecht verwaltet werden, den Bürgern das Verbot
verkünden, irgend an der gesammten Verfassung des Staates zu rütteln,
da die Todesstrafe den Thäter treffe, wobei aber derjenige, welcher die
unter solcher Verwaltung stehenden am süßesten schmeichelt und ihnen
zu Gefallen ist, indem er zuvorkommend eilt und ihre Wünsche vorher
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