Page 239 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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sämmtlich schimpflich sind, unter welchen selbst die besten wenigstens
                blind sind, oder scheint dir ein Unterschied zu sein zwischen Blinden,
                welche richtig ihren Weg wandeln, und denjenigen, welche ohne

                Vernunft etwas Wahres meinen? – Allerdings keiner, sagte er. – Willst du
                also lieber Schimpfliches betrachten, welches blind und krumm ist,
                während du von Anderen Glänzendes und Schönes vernehmen kannst? –
                Nein, bei Gott, o Sokrates, sagte nun Glaukon, du sollst nicht jetzt, schon
                fast am Ziele, noch zurücktreten; denn es wird uns genügen, wenn du
                ebenso, wie du es betreffs der Gerechtigkeit und der Besonnenheit und
                des Uebrigen durchgingst, es nun auch betreffs des Guten durchgehst. –

                Allerdings auch mir, mein Freund, sagte ich, wird es gar sehr genügen;
                aber daß ich nur nicht unfähig hiezu bin, und bei meiner Bereitwilligkeit
                dann durch Verstöße mich lächerlich mache. Doch, o ihr
                Hochzupreisenden, was das Gute selbst an und für sich sei, wollen wir
                für jetzt beruhen lassen; denn es scheint mir für jetzt über den von uns
                gegenwärtig genommenen Anlauf hinauszugehen, wenn wir vollständig

                erreichen wollten, was mir hierüber dünkt; hingegen was mir ein
                Sprößling des Guten und ihm am ähnlichsten zu sein scheint, will ich
                angeben, woferne es auch euch erwünscht ist; wenn aber nicht, so will
                ich es bei Seite lassen. – Aber gib dieß nur an, sagte er; denn den Bericht
                über den Vater selbst wirst du uns wohl hernach einmal erstattenD. h.
                wenn es auch hier zunächst nur um den Sprößling der Idee des Guten
                sich handelt, so kann es doch nicht fehlen, daß nicht im Verlaufe auch

                auf die Idee selbst an und für sich eingegangen werden muß, wie dieß z.
                B. im folg. Cap. wirklich geschieht.. – Ich wollte allerdings, erwiederte
                ich, daß ich euch diesen Bericht als eine Schuld baar erstatten und ihr sie
                eincassiren könntet, nicht aber bloß die Zinsen derselben, wie jetzt der
                Fall ist; aber eben die Zinsen dieses Kapitales, nemlich bloß den
                Sprößling des Guten an und für sich, cassiret hiemit ein; nehmt euch

                jedoch in Acht, daß ich euch hiebei nicht wider meinen Willen betrüge,
                indem ich euch etwa in verfälschter Münze den Begriff jener Zinsen
                ausbezahle. – Wir werden uns, sagte er, nach Möglichkeit in Acht
                nehmen; aber sprich du nur. – Ja, sprach ich, indem ich mich mit euch
                über Dinge verständige und euch an dieselben erinnere, welche wir
                sowohl in dem Obigen sagten B. V, Cap. 20., als auch häufig schon
                anderwärts ausgesprochen haben. – Was meinst du hiemit? sagte er. –

                Wir sprechen, erwiederte ich, von vielen schönen Dingen und von vielen
                guten Dingen und von jedem Derartigen in solcher Weise und stellen
                dieß so in unserer Rede fest. – Ja, wir sprechen so. – Und nun sprechen
                wir auch von einem Schönen an und für sich und einem Guten an und für





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