Page 241 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Mystik des Lichtes liegt, welche zur Zeit der Neuplatoniker und
Gnostiker eine weitgreifende Bedeutung erhielt.. – Ja, du sprichst wahr,
sagte er. – Also nicht um ein geringes Ding ist jenes Band ein
erhabneres, durch welches die Wahrnehmung des Sehens und die
Fähigkeit des Gesehenwerdens im Vergleiche mit den übrigen
dergleichen Verbindungen mit einander verbunden sind, woferne
nemlich das Licht nicht etwas Unbedeutendes ist. – Aber weit gefehlt ja,
sagte er, daß dieses etwas Unbedeutendes wäre. –
19. Welchen der himmlischen Götter also kannst du als die Ursache
hievon bezeichnen, insoferne derselbe Gewalt über dasjenige habe,
dessen Licht sowohl bewirkt, daß unser Gesichtssinn sieht, als auch, daß
das Sichtbare gesehen wird? – Den nemlichen Gott, sagte er, welchen
auch du und die übrigen Menschen als die Ursache bezeichnen; daß du
nemlich um den Sonnengott fragst, ist klar. – Verhält sich also nun unser
Gesichtssinn in folgender Weise zu diesem Gotte? – In welcher Weise? –
Sonnengott ist nicht die Sehkraft, weder sie selbst, noch dasjenige, in
welchem sie entsteht, was wir eben Auge nennen. – Nein, allerdings
nicht. – Aber das sonnenartigste ja ist dieses, glaube ich, unter allen
Werkzeugen unserer Sinneswahrnehmungen. – Ja, bei Weitem. – Nicht
wahr also, auch die Fähigkeit, welche es hat, besitzt es nur, insoferne aus
jenem sie ihm verschafft wird und gleichsam zuströmt? – Ja, allerdings.
– Verhält sich’s also auch so, daß die Sonne zwar nicht Gesichtssinn ist,
aber, während sie die Ursache desselben ist, eben von ihm auch gesehen
wird? – Ja, so ist es, sagte er. – Dieß demnach, sprach ich, verstehe ich
unter jenem Sprößlinge des Guten, welchen das Gute für sich ganz in
dem gleichen Verhältnisse gezeugt hat, so daß, was es selbst in dem
Gebiete des Denkbaren bezüglich des Denkens und des Gedachten ist,
eben das Nemliche die Sonne in dem Gebiete des Sichtbaren bezüglich
des Sehens und des Gesehenen ist. – Wie so? sagte er; gehe dieß mir
noch deutlicher durch. – Von den Augen, sprach ich, weißt du, daß, wann
man sie nicht mehr auf jenes hinwendet, dessen Farben das Tageslicht
umfaßt, sondern auf dasjenige, was nächtlicher Schimmer, sie dann
stumpf sind und nahezu blind zu sein scheinen, eben als wäre in ihnen
kein reiner Gesichtssinn. – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Wann hingegen,
glaube ich, auf jenes, was die Sonne beleuchtet, dann sehen sie deutlich,
und es zeigt sich, daß jenen nemlichen Augen Gesichtssinn einwohnt. –
Warum auch nicht? – Auf diese Weise demnach denke es dir, was die
Seele betrifft, folgendermaßen: Wann sie auf jenes hin gespannt sich
richtet, was von der Wahrheit und dem Seienden beleuchtet ist, denkt sie
und hat Einsicht und zeigt sich mit Vernunft begabt; wann hingegen auf
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