Page 246 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Seienden und Denkbaren betrachtete deutlicher, als das durch die
sogenannten Künste Betrachtete, bei welchen die Voraussetzungen die
Ausgangspunkte sind und die Betrachtenden allerdings genöthigt
werden, vermöge des Nachdenkens, und nicht vermöge der
Sinneswahrnehmungen es zu betrachten, hingegen eben darum, weil sie
nicht zum Ausgangspunkte aufsteigend, sondern aus bloßen
Voraussetzungen es erwägen, dir bezüglich jener Dinge nicht das Denken
der Vernunft zu besitzen scheinen, obwohl ihre Gegenstände zu dem mit
einem Ausgangspunkte versehenen Denkbaren gehören; hingegen
Nachdenken scheinst du mir den Zustand der in Geometrie und
dergleichen Gewandten zu nennen, nicht aber Vernunft, insoferne ein
Mittelding zwischen Meinung und Vernunft das Nachdenken wäre. –
Völlig genügend ja, sagte ich, hast du es aufgefaßt; und nimm denn
hiemit an, daß an den vier Theilen folgende vier Zustände in der Seele
entstehen: Vernunft an dem obersten, Nachdenken an dem zweiten, dem
dritten aber mögest du das Glauben zuweisen und dem letzten das
Vermuthen; und ordne dieselben genau nach dem Verhältnisse, wie jene
Theile, an welchen sie sind, an der Wahrheit Theil haben können, indem
du der Ansicht bist, daß ebenso sie an der Deutlichkeit Theil haben. – Ich
verstehe es, sagte er, und räume dir es ein und ordne sie so, wie du sagst.
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