Page 243 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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wenigstens, wenn nichts Anderes, doch die Aehnlichkeit bezüglich der
                Sonne hinwiederum durchzugehen, falls du sie irgendwie mangelhaft
                gelassen hast. – Aber ich lasse ja in der That, sagte ich, gar Vieles

                mangelhaft. – Nein, auch keine Kleinigkeit, erwiederte er, sollst du
                übergehen. – Sogar Vieles ja, glaube ich; dennoch aber werde ich, so
                weit es im gegenwärtigen Augenblicke möglich ist, Nichts absichtlich
                mangelhaft lassen. – Allerdings nicht, sagte er. – Denke dir demnach,
                sprach ich, daß, sowie wir angeben, es zwei seien, und zwar hievon das
                Eine über das Geschlecht und das Gebiet des Denkbaren herrsche, das
                Andere aber hinwiederum über das Sichtbare, damit ich nemlich nicht

                sage, über das Himmelsgebäude, und hiedurch dir etwa in der
                Namensbezeichnung eine Weisheit zu erkünsteln scheineDas Wort
                ουρανός (Himmelsgebäude) leitete man nemlich, wie Plato im
                »Kratylus« auch selbst thut, von οραν d. h. Sehen, und άνω d. h.
                Aufwärts, ab.; aber jedenfalls hältst du hiemit jene beiden Gattungen
                fest, nemlich das Sichtbare und das Denkbare. – Ja, ich halte sie fest. –

                Sowie man demnach eine in zwei ungleiche Theile getheilte Linie
                nimmt, so theile auch du wieder jeden von jenen beiden Theilen nach
                dem nemlichen Verhältnisse, nemlich sowohl das Geschlecht des
                Sichtbaren, als auch jenes des Denkbaren, und es wird dir bezüglich des
                gegenseitigen Verhältnisses der Deutlichkeit und der Undeutlichkeit
                innerhalb des Sichtbaren der Eine Theil aus Bildern bestehen; Bilder
                aber nenne ich hiebei erstens die Schatten und sodann die Spiegelbilder

                im Wasser und in Allem, was dicht und glatt und schimmernd und sonst
                derartig ist, woferne du mich verstehst. – Ich verstehe dich wohl. – Als
                den anderen Theil demnach stelle dir jene Dinge vor, welchen diese
                Bilder gleichen, nemlich die Thiere, welche es bei uns gibt, und die
                gesammte Gattung der Pflanzen und der Geräthe. – Ja, ich stelle sie mir
                so vor, sagte er. – Möchtest du nun wohl, sprach ich, auch das behaupten,

                daß bezüglich der Wahrheit und Unwahrheit diese beiden ebenso
                unterschieden sind, wie die Gegenstände der Meinung von jenen der
                Einsicht, nemlich ebenso auch das bloß ähnlich gemachte von jenem,
                dem es ähnlich ist? – Ja gewiß, in hohem Grade, sagte er. – Erwäge nun
                hinwiederum auch die Theilung des Denkbaren, inwieferne dieses
                getheilt werden kann. – Wie so? – Inwieferne nemlich die Seele
                genöthigt ist, den Einen Theil desselben mit Anwendung des dort in

                Geltung eines Bildes abgetrennten bloß in Folge von Voraussetzungen zu
                suchen, indem sie nicht zum Ausgangspunkte, sondern zum Endpunkte
                sich wendet, hingegen hinwiederum bei dem anderen Theile das in der
                Richtung zum Ausgangspunkte hin Voraussetzungslose sucht, indem sie





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