Page 240 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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sich, und in dieser Weise fassen wir bei Allem, was wir dort als viele
                Dinge faßten, es hinwiederum dann nach Einer Idee eines jeden Dinges
                als einer einheitlichen, und nennen es hiemit dasjenige, was es an sich

                ist. – Ja, so ist es. – Und von jenen vielen Dingen nun sagen wir, daß sie
                gesehen, nicht aber gedacht werden, von den Ideen aber hinwiederum,
                daß sie gedacht, nicht aber gesehen werdenHierin liegt eben der
                prinzipielle Verstoß der Erkenntnistheorie Plato’s, daß er einerseits von
                einer des Denkens gänzlich entbehrenden sinnlichen Wahrnehmung und
                andrerseits von einem der Sinneswahrnehmung gänzlich entbehrenden
                Denken spricht; denn gerade keine dieser beiden ist Sache des

                Menschen. S. m. Uebers. d. gr. Phil. S. 89 f.. – Ja, völlig so. – Vermittelst
                welchen Dinges also in uns sehen wir, was gesehen wird? – Vermittelst
                des Gesichtssinnes, sagte er. – Nicht wahr also, sprach ich, auch
                vermittelst des Gehörsinnes hören wir, was gehört wird, und nehmen
                ebenso durch die übrigen Sinneswahrnehmungen das sinnlich
                Wahrnehmbare wahr? – Wie sollte es anders sein? – Hast du nun wohl,

                sagte ich, schon bemerkt, wie sehr der Werkmeister unserer
                Sinneswahrnehmungen die Fähigkeit des Sehens und Gesehenwerdens
                bei weitem als die kostbarste herstellte? – Nein, nicht völlig, sagte er. –
                Aber erwäge es folgendermaßen: bedarf das ganze Gebiet des Gehöres
                und des Lautes noch irgend ein anderweitiges dazu, damit ersteres höre
                und letzteres gehört werde, so daß, wenn jenes dritte nicht dazu käme,
                ersteres eben nicht hören und letzteres nicht gehört werden könnte? –

                Nein, es bedarf Nichts, sagte er. – Ich glaube aber ja, sprach ich, auch die
                vielen übrigen Wahrnehmungen bedürfen nichts Weiteres hiezu, um
                nicht sogleich zu sagen, daß keine Etwas bedarf; oder kannst du etwa
                eine nennen? – Nein, ich gewiß nicht, sagte er. – Bei dem Gesichtssinne
                aber und dem Sichtbaren, bemerkst du da nicht, daß diese noch Etwas
                hiezu bedürfen? – Wie so? – Wenn nemlich in den Augen Gesichtssinn

                vorhanden ist und der ihn Besitzende ihn anzuwenden versucht, und
                auch eine Farbe gegenwärtig vorliegt, so wird, wie du wohl weißst, falls
                nicht auch noch eine dritte eigens hiezu bestimmte Gattung hinzukömmt,
                sowohl der Gesichtssinn Nichts sehen, als auch die Farbe unsichtbar
                sein. – Was meinst du unter dieser dritten Gattung? sagte er. – Dasjenige,
                erwiederte ich, was du Licht nennstEs braucht wohl kaum eigens
                bemerkt zu werden, daß diese Unterscheidung des Gesichtssinnes von

                den übrigen Sinnen durchaus unrichtig ist; wenn wir aber auch den Plato
                nicht für den damaligen Mangel naturwissenschaftlicher Kenntnisse
                verantwortlich machen wollen, so muß andrerseits wohl beachtet
                werden, daß in solchen platonischen Aeußerungen der Anfang jener





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