Page 251 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Eitelkeit das verdiente Hohngelächter der Menschen als langst ersehntes
Martyrium betrachtet und wollüstig in dem Bewußtsein schwelgt, daß er
doch der beste der Menschen sei. Nur dadurch unterscheidet sich die
platonische Ansicht allerdings wesentlich von der Stoa, daß Plato, wie
wir sogleich sehen werden, die Philosophen zum Heile des Gesammt-
Organismus wieder in das Jammerthal der praktischen Verhältnisse
zurückkehren heißt, da ja die Gesammtheit das erreichbare Glück
genießen soll, sobald die Philosophen die Herrscher sind. Insoferne aber
dieß nach beiden Seiten hin, sowohl bezüglich der Praxis, als auch
bezüglich der Speculation ein das menschliche Wesen mißkennendes
Ideal ist, so war es einerseits nur Aeußerung eines gesunden Sinnes, daß
die spätere Entwickelung der griechischen Philosophie Solches fallen
ließ, und andrerseits blieb davon nur jene arrogante Aufgeblasenheit der
Philosophie übrig.. – Allerdings, nicht im Geringsten, sagte er, ist dieß
zu verwundern. – Aber, woferne Jemand Einsicht besitzt, sprach ich,
möchte er sich wohl daran erinnern, daß durch zwei Dinge eine
zweifache Störung für die Augen erwächst, nemlich sowohl wenn man
aus Licht in Finsterniß tritt, als auch wenn aus Finsterniß in Licht. Und
in der Ueberzeugung nun, daß dieß Nemliche auch bezüglich der Seele
stattfinde, würde er beim Anblicke einer Seele, welche in Verwirrung
und unfähig ist, Etwas zu erblicken, nicht unvernünftiger Weise in ein
Gelächter ausbrechen, sondern erwägen, ob sie aus einem helleren Leben
kommend nur durch die Ungewohntheit verdunkelt sei. oder ob sie aus
größerer Unwissenheit in ein Helleres übergehend nun durch den
glänzenderen Schimmer erfüllt sei, und auf diese Weise wird er die Eine
glücklich preisen wegen ihres Zustandes und ihres Lebens, die andere
aber bemitleiden, und wollte er etwa über sie lachen, so wäre sein
Lachen weniger lächerlich, als jenes über eine Seele, welche von Oben
her aus dem Lichte kömmt. – Ja, völlig nach dem rechten Maße, sagte er,
sprichst du da. –
4. Wir müssen demnach, sagte ich, in diesem Betreffe, woferne das
Bisherige wahr ist, auch in folgender Beziehung glauben, daß die
Bildung der Seelen nicht wirklich eine derartige sei, wie Manche bei
ihren Versprechungen sie darstellen; sie behaupten ja nemlich,. daß,
während ein Wissen in der Seele gar nicht vorhanden sei, sie es ihr
einpflanzen, wie wenn sie blinden Augen den Gesichtssinn einpflanzen
würden. – Ja, so behaupten sie wenigstens, sagte er. – Hingegen unsere
jetzige Begründung, sprach ich, deutet ja darauf hin, daß die in der Seele
eines Jeden schon vorhandene Fähigkeit und das Werkzeug, vermittelst
dessen Jeder lernt, gerade so, wie auch das Auge sich nur zugleich mit
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