Page 267 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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In folgender Weise, sagte ich: Wir sollen zwar glauben, daß diese
                Gemälde in dem Himmelsgewölbe, insoferne sie in einem Sichtbaren
                gemalt sind, am schönsten und genauesten von all Derartigem sich

                verhalten, aber daß sie von dem Wahrhaften noch weit entfernt seien,
                nemlich von jenen Raumbewegungen, in welchen die wirkliche
                Schnelligkeit und die wirkliche Langsamkeit innerhalb der wahrhaften
                Zahl und aller wahrhaften Formen gegenseitig bewegt wird und auch die
                dort befindlichen Dinge bewegt; und all dieß sei nur durch den Begriff
                und das Nachdenken erfaßbar, durch den Gesichtssinn aber nicht; oder
                glaubst du etwa? – Nein, keineswegs, sagte er. – Nicht wahr also, sprach

                ich, jenes bunte Gemälde am Himmelsgewölbe müssen wir nur als
                Probebild zum Behufe des Unterrichtes, welcher auf jenes Andere
                abzielt, benützen, gerade wie wenn Jemand auf Zeichnungen stieße,
                welche von Dädalus oder irgend einem anderen Künstler oder Maler
                gezeichnet oder ausgearbeitet wären; denn es könnte auch da ein der
                Geometrie Kundiger, wenn er Derartiges sieht, wohl der Ansicht sein,

                daß sie auf das schönste bezüglich der Herstellung sich verhalten, aber
                lächerlich wäre es, sie allen Ernstes zu betrachten, als würde man an
                ihnen die Wahrheit des Gleichen oder des Doppelten oder irgend eines
                anderen Ebenmaßes erfassen. – Wie sollte dieß auch nicht lächerlich
                sein? sagte er. – Glaubst du aber nicht, sprach ich, daß es dem wirklich
                der Astronomie Kundigen ebenso ergehen werde, wenn er auf die
                Bewegungen der Gestirne hinblickt; daß er nemlich wohl glauben werde,

                es sei in dem größtmöglichen Grade von Schönheit, in welchem man
                derartige Werke zusammenstellen könne, auch seitens des Werkmeisters
                des Himmelsgebäudes dieses selbst und was in ihm ist,
                zusammengestellt worden; hingegen bezüglich des Ebenmaßes zwischen
                Nacht und Tag und zwischen diesen und dem Monde, und zwischen
                Mond und Jahr, und zwischen den übrigen Gestirnen unter sich und mit

                diesen, glaubst du da nicht, er werde jenen für ungereimt halten, welcher
                meint, es gehe all dieses immerwährend gleichmäßig vor sich und
                weiche in keiner Weise hievon irgend ab, während es doch körperhafte
                und sichtbare Dinge sind, und man müsse auf jede Weise die Wahrheit
                dieser Dinge als solcher zu erfassen suchen? – Mir wenigstens, sagte er,
                scheint es, indem ich es jetzt von dir höre; so zu sein, wie du angibst. –
                Als Aufgaben also, sprach ich, werden wir, sowie die Geometrie, so auch

                die Astronomie anwenden und auf diese Weise uns an sie machen;
                hingegen die Erscheinungen am Himmelsgebäude selbst werden wir bei
                Seite lassen, woferne wir wahrhaft die Astronomie ergreifen und
                hiedurch die Verstandes-Begabung in unserer Seele aus einer





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