Page 269 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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unterscheiden können, und dieß sei dann das kleinste Intervall und daher
                als Maßeinheit zu gebrauchen, die Anderen hingegen bestreiten dieß, als
                seien die Töne bereits einander gleich, Beide aber machen hiebei die

                Ohren zu Vorstehern des Denkens. – Du sprichst hiebei, sagte ich, von
                jenen Wackeren, welche mit den Saiten gar schlimm verfahren und sie an
                den Wirbeln der Lyra auf die Folter spannen; um aber dieses Gleichniß
                nicht länger auszudehnen und nicht von Schlägen, welche die Saiten
                beim Anschlagen bekommen, und von Anklagepunkten gegen sie und
                von einem Leugnen seitens derselben und von prahlerischen Reden der
                Saiten zu sprechen, so setze ich dieses Gleichniß nicht weiter fort und

                sage hiemit, daß ich überhaupt nicht von diesen Leuten spreche, sondern
                von jenen, welche wir, wie wir so eben sagten, betreffs der Harmonie
                befragen wollen; sie thun nemlich eben dasselbe, wie jene Anderen in
                der Astronomie, denn sie suchen die Zahlen in diesen durch das Gehör
                wahrgenommenen Akkorden, schreiten aber dabei nicht höher zu
                Aufgaben hinaus, so daß sie erwägen würden, welche Zahlen

                zusammenstimmende seien und welche nicht und warum die beiden es
                seien. – Einen göttlichen Gegenstand, ja, sagte er, gibst du hiemit an. –
                Ja, einen Gegenstand, erwiederte ich, welcher brauchbar ist zur
                Untersuchung des Schönen und Guten, in anderer Weise betrieben aber
                unbrauchbar ist. – Ja, so scheint es, sagte er. –
                     Ich glaube aber ja, sagte ich, daß, wenn die Beschäftigung mit all
                diesem, was wir durchgegangen haben, zur wechselseitigen

                Gemeinschaftlichkeit und Verwandtschaft gelangt und dieses in jener
                Beziehung, in welcher es zu einander gehört, vereinigt wird, dann die
                ganze Thätigkeit wohl zu jenem führe, was wir beabsichtigen, und keine
                nutzlose Mühe aufgewendet werde, wenn aber nicht, eine nutzlose. –
                Auch ich, sagte er, ahne Solches; aber du bezeichnest hiemit, o Sokrates,
                einen außerordentlich viel umfassenden Gegenstand. – Meinest du

                hiemit jenen der bloßen Vorhalle, erwiederte ich; oder wissen wir nicht,
                daß all dieses nur die Vorhalle jenes eigentlichen Gesetzes ist, welches
                gelernt werden soll? denn es scheinen dir doch wohl jene, welche in den
                bisher angegebenen Gegenständen gewandt sind, nicht schon auch
                DialektikerIch möchte jeden Versuch, die Worte »Dialektiker« und
                »Dialektik« übersetzen zu wollen, für gezwungen und unpassend halten;
                welches im Ganzen die Bedeutung der Dialektik bei Plato sei, s. m.

                Uebers. d. gr. Phil. S. 79 ff. zu sein? – Nein, bei Gott nicht, sagte er,
                außer höchstens einige sehr Wenige von Allen, welche ich getroffen
                habe. – Aber scheint es dir etwa, sprach ich, daß Solche, welche nicht
                fähig sind, eine Begründung zu geben oder entgegenzunehmen, jemals





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