Page 273 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Begründung bis an’s Ziel kömmt, von diesem wirst du, wenn er so sich
                verhält, wohl behaupten, daß er weder das Gute an und für sich, noch
                irgend ein anderes Gutes wisse, sondern, falls er etwa irgend ein Abbild

                desselben ergreift, es vermittelst der Meinung, nicht aber vermittelst des
                Wissens ergreife, und daß er das jetzige Leben durchträumend und
                verschlafend, noch eher, als er hier erwache, in den Hades komme und
                erst vollends in tiefsten Schlaf versinke. – Ja, bei Gott, sagte er, gar sehr
                wohl werde ich all dieses behaupten. – Nun aber wirst du ja auch bei
                deinen Kindern, welche du vermittelst der Vernunft pflegst und bildest,
                wofern du sie in der That pflegst, es nicht geschehen lassen, daß sie

                unvernünftig wie todte Striche in dem Staate herrschen und Gewalt
                haben über das Größte. – Nein, gewiß nicht, sagte er. – Gesetzlich
                bestimmen wirst du ihnen demnach, daß sie im höchsten Grade an dieser
                Bildung Antheil nehmen, in Folge deren sie im Stande sein werden, in
                der wissenschaftlichsten Weise zu fragen und zu antworten. – Ja, ich
                werde es, sagte er, im Vereine mit dir gesetzlich bestimmen. – Scheint es

                dir also, sprach ich, daß gleichsam wie eine Mauerzinne über den
                Unterrichtsgegenständen uns die Dialektik oben sich befinde, und kein
                anderer Unterrichtsgegenstand noch höher, als sie ist, hinaufgelegt
                werden könne, sondern hiemit die Angabe der Unterrichtsgegenstände
                bereits ihr Ende erreicht habe? – Ja, mir wenigstens scheint es, sagte er. –
                     15. Eine Vertheilung demnach, sagte ich, ist dir nun noch übrig,
                nemlich wem wir diese Unterrichtsgegenstände zuweisen sollen und in

                welcher Weise. – Ja, klärlich, sagte er. – Erinnerst du dich also an unsere
                frühere Auswahl der Herrscher, wie beschaffene wir damals auswählten
                B. III, Cap. 19 f.? – Wie sollte ich mich nicht erinnern? sagte er. – Im
                Uebrigen demnach glaube, daß man Begabungen folgender Art
                auswählen müsse; nemlich die zuverlässigsten und die tapfersten Männer
                müssen hiebei den Vorzug erhalten, und nach Möglichkeit auch die am

                schönsten gestalteten; außerdem aber muß man nicht bloß Solche
                suchen, welche in ihrem Charakter wacker und ehrwürdig sind, sondern
                dieselben müssen auch Alles an sich haben, was für diese Bildung ihrer
                Begabung förderlich ist. – Welcherlei Eigenschaften führst du hiebei an?
                – Einen durchdringenden Sinn, o du Hochzupreisender, sagte ich,
                müssen sie bezüglich der Unterrichtsgegenstände besitzen, und nicht
                schwer darf ihnen das Lernen fallen, denn weit eher ja ziehen sich die

                Seelen bei heftigem Lernen feig zurück, als bei Leibesübungen, denn die
                Plage dabei geht mehr die Seele an, weil sie ihr eigenthümlich, nicht aber
                mit dem Körper gemeinsam ist. – Dieß ist wahr, sagte er. – Aber auch
                einen mit Gedächtniß begabten und unbeugsamen und in jeder





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